Aufrufe
vor 6 Jahren

HEINZ Magazin Wuppertal 11-2016

  • Text
  • Magazin
  • Heinz
  • Dortmund
  • Bochum
  • Frei
  • Eintritt
  • Wuppertal
  • Raum
  • Duisburg
  • Oberhausen
  • Bergisches
  • Zeche
HEINZ Magazin November 2016, Ausgabe für Wuppertal, Solingen, Remscheid

KINO ÜBERSICHT

KINO ÜBERSICHT HEINZ-AUTOR CONSTANTIN FILM, STORYTELLER DISTRIBUTION CO LLC SCHIZO IN SUBURBIA Girl on the Train ■ Rachel wird eine lebhafte Fantasie nachgesagt. Sie fühlt sich magisch von den vorbeiziehenden Schicksalen in den Häusern angezogen, die sie täglich mit dem Pendlerzug nach New York passiert. Insbesondere die pittoreske Villa eines anonymen Paares hat es ihr angetan. Doch dann stellt sich heraus, dass ihr Interesse für dieses Musterpaar nicht zufällig ist. Rachel war einst mit dem Besitzer des Hauses verheiratet und stalkt seither ihren Exmann und dessen junge Familie. Als deren Kindermädchen verschwindet, überschlagen sich die Ereignisse. Nicht nur Rachel gerät in den Fokus der polizeilichen Ermittlungen. In der Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Paula Hawkins regieren Psychosen das scheinbare Vorstadt-Idyll. Die Trauma-Anhäufung lässt den Psycho-Thriller allerdings so konstruiert wirken, wie seine Auflösung schließlich enttäuscht. pk ❚ (GIRL ON THE TRAIN) USA 2016, 113 Min., Regie: Tate Taylor, mit: Emily Blunt, Rebecca Ferguson, Haley Bennett, Justin Theroux, Allison Janney; Start: 27.10. AMERICAN DREAM ALS ZYNISCHE FARCE Soy Nero ■ Der junge Mexikaner Nero will in seine Heimat zurück, doch dafür muss er den Grenzzaun überwinden. Denn als Illegaler wurde er aus Los Angeles, wo er aufwuchs, nach Tijuana abgeschoben. Mit etwas Glück kann er die Adresse seine Halbbruders Jesus erreichen und staunt: Der Mann hat es geschafft. In seiner Villa in Beverly Hills beherbergt er Nero großzügig – bis sich die Erfolgsgeschichte als Illusion erweist. Nero muss erneut fliehen und sieht sein Heil im „Dream Act“. Wenn er sich als GI freiwillig zum Irak-Einsatz meldet, erhält er eine Green Card. Doch auch dieser Versuch der „Einwanderung“ endet als Fiasko. Sein Checkpoint wird überfallen und es fällt auf, dass er falsche Papiere dabei hat. Nero wird nach Mexiko abgeschoben. Bitter rechnet Regisseur Rafi Pitts mit einem Amerika ab, dessen Werte nur noch Träumer teilen. pk ❚ (SOY NERO) D/F/Mex., 117 Min., Regie: Rafi Pitts, mit: Johnny Ortiz, Khleo Thomas, Rory Cochrane, Michael Harney, Rosa Isela Frausto; Start: 10.11. TWENTY TWENTY VISION FILMPRODUKTION – SENORITA FILMS - PIMIENTA FILMS - ZDFARTE PHILIPP KOEP Biopics en masse Lust auf Museum? Mit einer wahren Flut von Künstlerbiografien ersetzt das Kino derzeit den klassischen Musentempel. Doch nicht alles ist cineastischer Lichtblick, was da an Biopic daherkommt. Gemalt wird bei Cézanne, dann kommt Schiele (17.11.), demnächst Paula Modersohn-Becker (1.12.). Getanzt wird mit Loïe Fuller und Isadora Duncan („Die Tänzerin“, 3.11.) und gleich doppelt gesungen mit Florence Foster Jenkins (siehe Tipp des Monats, 10. und 24.11.). Wenn sie auch künstlerisch vielleicht nicht unbedingt die Herausragendste im prominenten Leinwandherbst-Personal ist, so hat die schräge Amerikanerin doch filmisch Glück gehabt. Wo sonst artiges biografisches Nacherzählen mit illustrem Namedropping und kostümseligen Ausstattungsorgien zu gefälligem Studienratsgattinnenkino mit unbedingtem TV- Appeal vorherrscht, kitzeln die schrillen Fehltöne wenigstens das Zwerchfell. Philipp Koep 2016 PROKINO FILMVERLEIH GMBH WIDERSTAND, ABER WIE? Jeder stirbt für sich allein POESIE IM LINIENBUS Paterson ■ Jim Jarmusch entschleunigt die Welt mit einem stoischen Busfahrer, der so heißt wie die Stadt, deren Strecken er so routiniert abfährt, wie er auch seinen Alltag verbringt. Um 6.15 Uhr steht er auf, frühstückt, fährt zur Wagenhalle und beginnt seine Schicht. Dann kehrt er zurück, lässt sich von der künstlernden Frau ihre neuen Gestaltungsideen in Schwarz und Weiß zeigen, führt den Hund Gassi, kehrt in seine Stammkneipe ein, trinkt ■ Kurz nach dem Krieg und ebenso kurz vor seinem Tod veröffentlichte Hans Fallada die erste literarische Auseinandersetzung mit dem Kampf gegen die Diktatur aus der Innensicht Deutschlands. Basierend auf dem authentischen Fall des Ehepaars Otto und Ilse Hampel erzählte der Roman, wie sich einfache Menschen politisieren und auf sich allein gestellt ihren Protest gegen das verbrecherische Regime mit handgeschriebenen Postkarten verbreiteten. Der tragische Ausgang der Aktion durch Denunziation prägt den pessimistischen Titel dieses Werkes. Düster ist auch die Atmosphäre in dieser europäischen Produktion, die auf Stars setzt. Doch was 1947 ein richtiger Finger in der Wunde der Mitläufernation war, das wird siebzig Jahre später der historischen Analyse des moralischen Versagens nicht mehr gerecht: Es war schlimmer als der Berliner Mietshaus-Kosmos. pk ❚ JEDER STIRBT FÜR SICH ALLEIN (Alone in Berlin) D/F/ GB 2016, 100 Min., Regie: Vincent Perez, mit: Brendan Gleeson, Emma Thompson, Daniel Brühl; Start: 17.11. MARY CYBULSKI METAMORPHOSE IN TÜLL Die Tänzerin ■ Loïe Fuller war die Bühnenkarriere in Paris nicht in die Wiege gelegt. Das Cowgirl aus Illinois erfand sich quasi selbst und machte bald mit ihren Tanzdarbietungen im New York der 1890er-Jahre Furore. Doch um ihre effektvollen Kreationen vor Nachahmern zu schützen, ging sie nach Paris und ließ sich die atemberaubenden Kombinationen aus Lichttechnik und Serpentinentanz-Kostüm patentieren. Im legendären Folies Bergère wurde sie ab 1892 Wegbereiterin des modernen Tanzes. Die späte Hommage an die weithin vergessene Künstlerin rafft das Leben Fullers (1862-1928) auf wenige Jahre zusammen und konzentriert sich auf die Effekte ihrer wirbelnden Kostümfiguren, ihren Kampf um Bestehen in einer Männerwelt und die enttäuschte Beziehung zu ihrem Protegé Isadora Duncan. Stéphanie Di Giusto entwirft das Bild einer Pionierin, die mühevoll gegen die Konventionen ihrer Zeit ankämpfen musste. pk ❚ DIE TÄNZERIN (La Danseuse) F 2016, 112 Min., Regie: Stéphanie Di Giusto, mit: Soko, Gaspard Ulliel, Mélanie Thierry, Lily-Rose Depp, Amanda Plummer; Start: 3.11. ein Bier und geht heim. Der Ort Paterson bei New York ist auch lyrisches Thema in dem Erzählgedicht, mit dem William Carlos Williams die moderne amerikanische Literatur einleitete. Und der Busfahrer Paterson ist wie Williams ein präziser Beobachter beiläufiger Szenen, die er in seinen lyrischen Miniaturen notiert und die dem handlungsarmen Film eine sanft ironische, poetische Qualität und atmosphärische Dichte verleihen. pk ❚ (PATERSON) USA 2016, 115 Min., Regie: Jim Jarmusch, mit: Adam Driver, Golshifteh Farahani, Kara Hayward, Jared Gilman, Barry Shabaka Henley; Start: 17.11. X-VERLEIH, MARCEL HARTMANN 50 | HEINZ | 11.2016

2016 PROKINO FILMVERLEIH GMBH 2016 CONCORDE, WESTSIDE, TMG, W. ENNENBACH PARSHIPPEN STATT STARSHIPPEN Arrival ■ Die friedliche Variante von „Independence Day“ erinnert ein wenig an den Pazifismus- Klassiker „Der Tag, an dem die Erde stillstand“: Aliens landen auf der Erde, der Zusammenhalt der Menschheit ist gefordert. Doch zunächst stürzen die zwölf riesenhaften Raumschiffe die Zivilisation an den Rand des Krieges. Derweil versuchen die Sprachforscherin Louise Banks und der Mathematiker Ian Donnelly in Kontakt mit den Besuchern in dem NOSTALGISCHE ZEITREISE IN DEN POTT Radio Heimat muschelförmigen UFO in Montana zu treten. Nach und nach gelingt es, die Sprache der krakenhaften Wesen zu entschlüsseln, doch da ist es fast zu spät. Nach den abgründigen Thrillern „Prisoner“ und „Sicario“ versucht sich der kanadische Regisseur Denis Villeneuve mit versöhnlicherer Weltsicht. Doch die Überwindung der Raum-Zeit-Transzendenz mit romantischer Schicksalsfügung wird actionorientierte Sci-Fi-Fans enttäuschen. pk ❚ (ARRIVAL) USA 2016, 116 Min., Regie: Denis Villeneuve, mit: Amy Adams, Jeremy Renner, Forest Whitaker, Michael Stuhlbarg, Mark O’Brien; Start: 24.11. IM RÄDERWERK DER BÜROKRATIE Ich, Daniel Blake ■ „Ich bin ein Mensch, ich bin kein Hund.“ Es ist der verzweifelte Aufschrei eines einfachen Mannes, der in einem zynischen „Sozial“-System vor die Hunde geht. Seit 50 Jahren setzt sich der bekennende Sozialist Ken Loach in mittlerweile 30 Kinofilmen beharrlich für die Entrechteten der englischen Gesellschaft ein. Das Sozialhilfe-Drama „Ich, Daniel Blake“ brachte dem 80-Jährigen 2016 die Goldene Palme von Cannes ein. Nachdem er seine ■ Früher war auch scheiße. Da gibt es nichts zu beschönigen und bei Frank Goosen ist das natürlich auch eine Liebeserklärung an die schnörkellose Direktheit des Ruhrpott- Proleten (pardon: Malochers). Die notgeile Pubertät, die 1980er-Jahre und fröhliche Asi- Urständ im Bergmannskiez sind die deftig abgeschmeckten Zutaten der Komödie, die Kinodebütant Matthias Kutschmann aus einigen Kurzgeschichten Goosens zusammengeschnitten hat. Erzählt wird die Geschichte von Frank (David Hugo Schmitz), Pommes (Jan Bülow), Spüli (Hauke Petersen) und Mücke (Maximilian Mundt), die nichts zu verlieren haben – außer ihrer Jungfernschaft. So geht es also fröhlich zwischen Ommas Frikadellen, Vatters Brautwerbe-Reminiszenzen und ersehnter Engtanzparty ans „Cherchez la femme“ – natürlich mit allerlei raffinierten Tricks und den erwartbaren Reinfällen. ❚ RADIO HEIMAT D 2016, 85 Min., Regie u. Buch: Matthias Kutschmann, mit: David Hugo Schmitz, Jan Bülow, Hauke Petersen, Ingo Naujocks; Start: 17.11. Frau jahrelang gepflegt hat, verliert der Zimmermann Blake (Dave Johns) seinen Job und erleidet einen Herzinfarkt. Doch nach jahrzehntelanger Arbeit mit Sozialbeiträgen gerät er ins Räderwerk einer schikanösen Bürokratie. Auch die alleinerziehende Nachbarin Katie steht vor dem Nichts. Ladendiebstahl oder Prostitution ist die Wahl, die ihr bleibt, um ihren Kindern ein würdiges Leben zu bieten. (Partei-)ergreifendes Sozialdrama. pk ❚ ICH, DANIEL BLAKE (I, Daniel Blake) GB/F/B 2016, 100 Min., Regie: Ken Loach, mit: Dave Johns, Hayley Squires, Dylan McKiernan, Briana Shann; Start: 24.11. 2016 SONY PICTURES RELEASING GMBH

Heinz-Magazine 2019

Heinz-Magazine 2018

Heinz-Magazin 2017

Heinz-Magazin 2016