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HEINZ Magazin Wuppertal 09-2016

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HEINZ Magazin September 2016, Ausgabe für Wuppertal, Solingen, Remscheid

STADTPLAN STORY Highway

STADTPLAN STORY Highway to Hamborn Als AC/DC Duisburg rockten Juni 2016: In Düsseldorf absolvieren AC/DC das letzte Deutschland-Konzert ihrer Welt-Tournee. Viele munkeln: ein Abschied von den deutschen Fans, denn nach etlichen Schicksalsschlägen scheint das Ende der Band näher als je zuvor. Es wäre ein Abschied nach vier Dekaden, denn vor genau vierzig Jahren rockten AC/DC erstmals auf deutschen Bühnen. Ihr zweites Deutschland-Konzert überhaupt führte die Australier dabei mitten ins Ruhrgebiet: nach Duisburg-Hamborn. E s ist der 16.9.1976, 17.30 Uhr. Im ZDF läuft gerade Folge Nummer zwei der „Biene Maja“ („Maja lernt fliegen“), als Angus McKinnon Young seine Schultasche schultert, sich die Gibson SG Standard umhängt und in kurzen Hosen die Bühne der Duisburger Rhein-Ruhr-Halle betritt. „Live Wire“ heißt der erste Song, mit dem AC/DC das Publikum im Sturm nehmen wollen. Es ist erst die zweite Begegnung mit deutschen Fans, die Premiere fand tags zuvor in Hamburg statt. Nervös ist der wilde Haufen um den winzigen Teufelsgitarristen in Schuluniform dennoch nicht. Weit über 100 Shows hat die Band bereits im laufenden Jahr gespielt, dabei in England sogar die Punkfans begeistert. In ihrer australischen Heimat sind AC/DC längst Stars, kurz darauf werden sie es auch im Rock’n’Roll-Mutterland USA und dem Rest der Welt sein. Doch in Duisburg-Hamborn sind die fünf Australier an jenem 16. September nur Vorband, machen den Einheizer für die Stars der Teenie- Generation: Ihr Auftritt bildet den Startschuss zur großen „Bravo Disco“, einem Mini-Festival, mit dem die Herausgeber der Jugendzeitschrift ihre Leser in Scharen in die Rhein-Ruhr-Halle locken. 3.500 Halbwüchsige füllen die ein Jahr zuvor eröffnete Mehrzweckhalle bis auf den letzten Platz. Gekommen waren sie vor allem, um eine ebenso kleine Musikerin wie Angus Young zu sehen: Glamrock-Queen Suzie Quatro, gut 1,50 Meter groß und stets ganz in Leder gekleidet, hatte die Hitparaden seit einigen Jahren fest im Griff. „Can The Can“, „Daytona Demon“ oder „The Wild One“ hießen die Hits, mit denen Little Suzie aus Detroit die Kids begeisterte. Auch Wolfgang Minkus aus Dinslaken. Der heute 58-Jährige war damals einer der Glücklichen, die eine Karte für die „Bravo Disco“ ergattern konnten. „Als ich mitbekam, dass Suzie Quatro in Duisburg spielte, wollte ich natürlich dabei sein“, erinnert er sich. Der Auftritt von AC/DC kam für Minkus jedoch einem Kulturschock gleich: „Die waren so laut, dass man kaum den Gesang verstehen konnte. Und die Sache mit der Schuluniform und dem Tornister des Gitarristen fand ich ein bisschen affig“, schmunzelt der Dinslakener, der AC/DC in späteren Jahren durchaus schätzen lernte. „Aber damals war das schon eine ganz andere Kategorie als Glamrock, eben richtiger Hardrock.“ 16 | HEINZ | 09.2016

C. TYLER CROTHERS Und mit dem konnte – kaum überraschend – auch die anwesende Lokalpresse wenig anfangen. „Melodien lärmend durch die Lautsprecher gejagt“, betitelte der Korrespondent der Rheinischen Post seinen Bericht – womit er den vortragenden Künstlern immerhin Melodiösität zugestand. Der sicher nicht Rockmusik-kundigere WAZ-Kollege dagegen folgerte glasklar, „mangelnde künstlerische Qualitäten“ seien bei „diesem Spektakel ganz einfach durch gewaltige Phonzahlen übertüncht“ worden. Gut, dass auch qualifiziertere Pressevertreter vor Ort waren. Wenngleich man diesen – zugegeben – ein gewisses Maß an Voreingenommenheit unterstellen könnte: Die „Bravo“ selbst versorgte die Nachwelt nämlich mit einem ausführlichen Bericht über das historische Ereignis (zumindest für AC/DC-Fans in Duisburg). In ihrer Ausgabe vom 30. September 1976 ließ das Zentralorgan der deutschen Jugend das zwei Wochen zurückliegende Ereignis in der Rhein-Ruhr-Halle noch einmal auf vier Seiten Revue passieren. Fazit: „Der Auftakt zur Bravo-Disco-Tournee 76/77 war ein Volltreffer!“ Wer hätte das gedacht …?! Detailliert wurde der gesamte Abend nachbereitet, der Auftritt sämtlicher Stars rekapituliert – und dazu gehörten neben AC/DC und Suzi Quatro noch zwei weitere Acts. Gleich nach dem Hardrock von Angus & Co. freute sich der weibliche Teil des Publikums dabei über den Auftritt von Shaun Cassidy, einem Justin Bieber seiner Zeit und laut WAZ ein „süßer Knabe mit sanfter Stimme“. Im schwarzen Samt-Overall sei er vor seine Fans getreten, berichtet die Bravo, dabei „nervös wie noch nie“. Die Begründung lieferte man im Zitat: „Zum ersten Mal bringe ich meine volle 30-Minuten-Show, und dann gleich vor so vielen Leuten.“ Als zweiten Headliner der „Bravo Disco“ hatten die Veranstalter schließlich eine Band gebucht, die heute kaum mehr jemand kennt: Slik. Zuvor über Monate von der „Bravo“ mit Berichten und Star-Porträts gepusht, durften die Schotten ein Jahr am Erfolg schnuppern und landeten mit der Schnulze „Forever And Ever“ sogar einen Hit. Schon 1977 aber war wieder Sense, die Band löste sich auf. Nur ein Musiker sollte später noch Erfolg haben: Midge Ure, Gitarrist und Sänger von Slik, eroberte mit Visage („Fade To Grey“), Ultravox und solo die Charts. Von Star-Porträts in der „Bravo“ waren AC/DC im September 1976 noch weit entfernt. Immerhin hatte „Bravo“-Rezensent „Siggi“ das zuvor erschienene Album „High Voltage“ zur Platte der Ausgabe gekürt und AC/DC als „Sprengstoff aus der Rille“ gepriesen. Auch Wolfgang Minkus erinnert sich: „Man hatte damals auf jeden Fall schon von AC/DC gehört.“ Und anders als der Dinslakener zeigten sich große Teile des „Bravo Disco“-Publikums von der Show der Hardrocker auch spontan begeistert. Sogar der WAZ-Reporter berichtete: „Schon beim Auftritt der Rock-Gruppe ‚AC/DC‘ standen die Zuhörer auf den Stühlen. Es wurde mitgetanzt und mitgeschrien.“ Worum aktuelle AC/DC-Fans jene 3.500 Hallenbesucher nicht zuletzt beneiden: Mit Bon Scott stand damals noch jener Sänger auf der Bühne, der für viele Fans bis heute der einzig wahre AC/DC-Frontmann ist. Als Verkörperung von Sex, Drugs & Rock’n’Roll schrieb und sang er Zeilen wie „Women to the left of me / and women to the right“ – und zeitgenössische Berichte von Scotts enormer Libido belegen den autobiografischen Charakter seiner Lyrik. Exzesse im Backstage-Bereich der Rhein-Ruhr-Halle wurden nicht kolportiert. Auf der Bühne ließ Bon Scott jedoch, genau wie Energiebündel Angus, die Sau raus. Den kleinen Gitarristen setzte sich der Frontmann auf seine nackten Schultern, präsentierte den Teenies im Ruhrgebiet Brusthaar und Tätowierungen, die 1976 nur Seeleute und Sträflinge hatten. Dreieinhalb Jahre nach der „Bravo Disco“ ist Bon Scott tot. Gestorben auf dem Rücksitz eines Autos, ein Opfer seiner Alkoholsucht. Bis dahin und danach stehen AC/DC noch viele Male in Deutschland auf der Bühne. Auch in Köln, Düsseldorf, dem Ruhrgebiet. Nie wieder jedoch in Duisburg. Und wohl auch nie wieder wird man AC/DC so günstig live erleben können wie am 16.9.1976 in der Hamborner Rhein-Ruhr-Halle. Eine Karte für die „Bravo Disco“ kostete 3 DM. Stefan Moutty Starte Dein eigenes Business Anmelden und durchstarten www.senkrechtstarter.de Gefördert durch

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