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HEINZ MAGAZIN WUPPERTAL 05-2017

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HEINZ Magazin Mai 2017, Ausgabe für Wuppertal, Solingen, Remscheid

KINO ÜBERSICHT

KINO ÜBERSICHT HEINZ-AUTOR THOMAS KOST/ RIVA FILM EIN ALT-PUNK WIRD DOMESTIZIERT Happy Burnout ■ Der Punk ist auf den Hund gekommen – bei André Erkaus leichtgewichtiger Komödie aber nur, um als dreiste Anbagger-Technik des Schwerenöters Fussel zu dienen. Eigentlich hat sich der Alt-Punk ebenso prima wie unglaubwürdig in seine Sozialschmarotzer- Rolle im Kiez eingerichtet, da soll von Amts wegen Schluss sein mit dem fröhlichen „Hartzen“. Ausgerechnet wegen Burnout lässt sich der Arbeitsverweigerer in eine Klinik einweisen, um seinen Leistungsanspruch nicht zu verlieren. Doch im Panoptikum der Patienten entdeckt Fussel plötzlich so etwas wie Sozialkompetenz, was auch der Anstaltsleitung nicht verborgen bleibt. Die prominent besetzte Domestizierung des Bierdosen-Revoluzzers kommt als kreuzbrave Initiation in der „Schwarzwaldklinik“ mit jeder Menge Klischees, absehbarer Gags und penetranter Heile-heile-Entchen-Attitüde daher. pk ❚ HAPPY BURNOUT D 2017, 102 Min., Regie: André Erkau, mit: Wotan Wilke Möhring, Anke Engelke, Julia Koschitz, Michael Wittenborn, Kostja Ullmann; Start: 27.4. MÖRDER AM TATORT Wrong Elements ■ Sie sind Täter und Opfer zugleich, einst wurden sie von Joseph Konys Urwaldguerilla verschleppt und als Kindersoldaten zwangsrekrutiert. Der amerikanische Journalist Jonathan Littell hat Ex-Mitglieder der „Lord’s Resistance Army“ durch den Kongo zu Schauplätzen ihrer Gräueltaten begleitet. Mit teils kindlicher Unbefangenheit berichten die jungen Erwachsenen von ihrer Angst, dem Machtrausch mit der Waffe und der Abstumpfung angesichts der tagtäglichen Gräueltaten. Der eine äußert unbekümmert, er wäre sofort wieder dabei, wenn die Kameraden riefen. Die Kämpferin, die Kony als Geliebte zugeführt wurde und schwanger wurde, leidet bis heute unter den Geistern der Vergangenheit. Littells Doku verfolgt meist kommentarlos das Geschehen. Auch wenn oft Erklärungen fehlen, zeigt sich deutlich, was es bedeutet, wenn man Kindern ihr Kindheit raubt und durch das Böse ersetzt. pk ❚ WRONG ELEMENTS D/B/F, 133 Min., Regie u. Buch: Jonathan Littell; Start: 27.4. 2016 VEILLEUR DE NUIT ZERO ONE FILM WRONG MEN PHILIPP KOEP Dropout Im Wonnemonat schlägt das Herz auf der Leinwand für den Außenseiter. Jesus selbst wird zum Schutzpatron eines arg zerrupften Liebespaars in „Das Ende ist erst der Anfang“ (Start 11.5., siehe Story) – ein bibelfester Western aus der französischen Prärie. Sehr bieder kommt die Zähmung des Altpunks in „Happy Burnout“ (27.4.) daher, näher an die bittere Realität kommt da schon „Einsamkeit und Sex und Mitleid“ (4.5.) heran: ein Bericht zur emotionalen Schräglage der Nation. Dropouts des deutschen Bildungssystems stehen im Mittelpunkt der Dokumentation „Berlin Rebel High School“ (11.5.) über eine beherzte Alternative zum Turbo-Abi. Als Hähnchen im Korb hat der Teenager Jamie es auch nicht leicht: Drei Frauen wollen ihn zu einem echten Mann machen, das sorgt in Mike Mills Independent- Film „Jahrhundertfrauen“ (18.5.) für kuriose Geschlechter-Einsichten. Philipp Koep X-VERLEIH AG FEMINISMUS LIGHT Victoria ■ Man hat es nicht leicht, vor allem als Frau. Das soll wohl die Botschaft dieser Komödie über eine junge Anwältin zwischen Kind, Karriere und Libido sein. Als Powerfrau scheint die Titelheldin ihr Leben ganz gut im Griff zu haben: Die beiden Töchter werden von einem Au-Pair-Boy betreut, während sie zum Gericht hetzt, und die Nächte sind mit wechselnden Liebhabern gefüllt. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse, ihr Ex-Lover SELBSTBESTIMMTES LERNEN Berlin Rebel High School ■ Okay, der Titel klingt natürlich cooler als „Schule für Erwachsenenbildung“. Aber das Projekt aus Berlin Kreuzberg ist schon cool, findet Dokumentarfilmer Alexander Kleider. Er hat nämlich hier ebenso seinen Schulabschluss nachgeholt wie seine Protagonisten, die als „Schulversager“ galten bzw. bei denen die Schule versagt hat. Rebellen sind sie eigentlich nicht, aber mit dem herkömmlichen Lehrbetrieb kamen sie einfach nicht klar. Seit steht wegen Mordversuchs unter Anklage, der Ex-Gatte zahlt keinen Unterhalt, aber veröffentlicht unter Klarnamen pikante Details aus dem ehemaligen Eheleben, und ein Ex-Mandant bietet sich als Praktikant an. Die Thematik erinnert stark an Justine Triets Erstling „Der Präsident und meine Kinder“, doch der zeitgeistige Feminismus light interessiert sich wenig für seine Figuren und ersetzt Komik und Tempo durch Hektik und Chaos. pk ❚ VICTORIA – MÄNNER & ANDERE MISSGESCHICKE (Victoria) F 2016, 97 Min., Regie u. Buch: Justine Triet, mit: Virginie Efira, Vincent Lacoste; Start: 4.5. NEUE VISIONEN FILMVERLEIH EMOTIONALE SCHRÄGLAGE DER NATION Einsamkeit, Sex, Mitleid ■ Der Titel ist Programm. Die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Helmut Krausser rückt den Sex in den Mittelpunkt des Berichtes zur emotionalen Schräglage der Nation. Der Film arrangiert seinen Mikrokosmos der Gefühlsverwirrungen um ein Pärchen, das den Escort-Job mit Treue zu verbinden versucht. Dann ist da der frustrierte Supermarktleiter, der als „Brandbeschleuniger XL“ auf Dating-Portalen firmiert, seine dominante Ex-Frau, die es mal mit einem Miet-Lover versucht. Der Reigen erweitert sich um einen verbitterten Ex-Lehrer, der aus seiner Wut eine Geschäftsidee gemacht hat. Ein junger Muslim möchte gern eine Christin lecken, die fühlt sich irgendwie geehrt. Der Ensemblefilm von Lars Montag, der das Drehbuch mit Helmut Krausser schrieb, wirkt arg konstruiert und neigt zur spekulativen Überspitzung. Nur selten gelingt echte Anteilnahme an der Einsamkeit der Figuren. pk ❚ EINSAMKEIT UND SEX UND MITLEID D 2017, 119 Min., Regie: Lars Montag, mit: Berhard Schütz, J. H. Stahlberg, Rainer Bock, Katja Bürkle, Eva Löbau; Start: 4.5. 1973 bildet die SFE da eine Alternative, eine selbstverwaltete Schule mit selbstbestimmtem Lernen, ohne Noten, ohne Anwesenheitspflicht und (fast) ohne Prüfungsdruck. Fünf ganz unterschiedliche Kandidaten begleitet der Film auf ihrem keineswegs gradlinigen Weg bis zur externen Abiturprüfung, darunter einen Ex-Kiffer und eine Punkerin. Durchaus parteiisch zeigt Kleider einen Bildungsbegriff auf, der in Zeiten des Turbo- Abis längst Nebensache geworden ist. pk ❚ BERLIN REBEL HIGH SCHOOL D 2016, 92 Min., Regie u. Buch: Alexander Kleider; Start: 11.4. ALAMODE FILM 50 | HEINZ | 05.2017

WILD BUNCH GERMANY, KNUDSEN & STREUBER, ULYSSES, WALKING THE DOG, MÉLUSINE PROD., DEN SISTE SKILLING DIE GROSSE REISE NACH SÜDEN Überflieger ■ Wer nicht zum Zuge kommt, der muss die Eisenbahn nehmen. Hinter dem etwas missratenen Titel „Überflieger” verbirgt sich eine ganz beachtliche deutsche Zeichentrickproduktion, die zwar an die Gag-Feuerwerke der großen US-Vorbilder Pixar und Dreamworks nicht heranreicht, sich aber durchaus (an-)sehen lassen kann. Die Variante der Geschichte vom „hässlichen Entlein“ erzählt vom Waisenküken Richard, der von einer Storchenfamilie aufgezogen wird. Doch als sich die Zugvögel im Herbst auf die große Reise nach Süden machen, lassen sie den Kleinen zurück. Kurzerhand macht er sich auf die Verfolgungsjagd. Nach wenigen Flügelschlägen muss er jedoch einsehen, dass er seinen „Zug“ besser mit dem Zug macht. Mit von der Reise-Partie sind die Zwerg-Eule Olga und der selbstverliebte Wellensittich Kiki, der von einer Karriere als Schlager-Singvogel träumt. pk ❚ ÜBERFLIEGER – KLEINE VÖGEL, GROSSES GEKLAP- PER D 2017, 84 Min., Regie: Toby Genkel, Buch: Reza Memari; Start: 11.5. DAS SEQUEL ZUM PREQUEL Alien: Covenant ■ Von hinten durch die Brust ins Auge. Mittlerweile erinnert die Erzählstruktur des „Alien“-Franchise ein wenig an den Weg der Horror-Tentakel der Xenomorphen selbst. Der sechste „Alien“ ist jedenfalls das Sequel zum Prequel, also die Fortsetzung von „Prometheus“ und spielt lang genug vor der Handlung von „Alien“, um Platz für noch zwei weitere Fortsetzungen zu lassen. Wenn Ridley Scott das derzeitige Tempo hält, dürfte der „Alien“-Erstling von 1979 dann fast 50 Jahre alt sein! Nachdem er jedoch recht unglücklich mit „Prometheus“ war, tauschte Scott einen Teil der alten Crew aus und verspricht nun eine Rückkehr zum alten Alien-Wesen: also mehr (Welt-)Raum für Gruseln und Splattern. Die Crew des Raumschiffes betritt am anderen Ende der Galaxie eine scheinbar paradiesische Welt. Doch der Planet ist nicht so unbewohnt, wie angenommen. pk ❚ (ALIEN: COVENANT) USA 2017, 122 Min., Regie: Ridley Scott, mit: Katherine Waters, Michael Fassender, Billy Crudup, James Franco, Noomi Rapace; Start: 18.5. 2017 TWENTIETH CENTURY FOX A24, MARS FILMS MANNWERDUNG UNTER FRAUEN Jahrhundertfrauen ■ Bereits in seinem Kinodebüt „Thumbsucker“ (2005) bewies Mike Mills sein Talent für Initiationsgeschichten. Seine raffinierten Collagen aus Zeitkolorit, originellen Perspektiven und unkonventionellen Figuren gestaltete er mit hintergründigen Einsichten und feinem Humor zu unterhaltsamen Off-Familiengeschichten. Nach „Beginners“ (2010), in dem er sich dem späten Coming-out seines Vaters biografisch widmete, erzählt er nun die Geschichte seiner Mutter. Annette Bening spielt Dorothea, die sich Ende der 1970er- Jahre Gedanken darüber macht, wie sie ihren 15-jährigen Sohn zu einem Mann erziehen soll. Mangels Vaterfigur verfällt sie auf zwei junge Frauen, die sich Jamies annehmen sollen. Dank erzählerischer Kniffe gelingt eine ebenso unterhaltsame wie vielschichtige Geschichte der „Frauen des 20. Jahrhunderts“ (so die Bedeutung des Originaltitels). pk ❚ JAHRHUNDERTFRAUEN (20th Century Women) USA 2016, 119 Min., Regie u. Buch: Mike Mills, mit: Annette Bening, Elle Fanning, Greta Gerwig; Start: 18.5.

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