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HEINZ Magazin Wuppertal 05-2016

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HEINZ Magazin Mai 2016, Ausgabe für Wuppertal, Solingen, Remscheid

KINO TIPP DES MONATS

KINO TIPP DES MONATS Dicker Wüstendeal Neue Zusammenarbeit zwischen Tom Tykwer und Tom Hanks Alan Clay wird in die Wüste geschickt. Die schwierige Verkaufsmission in Saudi Arabien ist seine letzte Chance als Vertriebsmanager. Doch der Trip ins Land der unbegrenzten Ölmilliarden entwickelt sich ganz anders als erwartet. Tykwers „Ein Hologramm für den König” ist eine kuriose Selbstfindung zwischen „Lost in Translation“, „Warten auf Godot“ und 1001 Nacht. D er Amerikanische Traum hat in Alans Leben schon ordentlich gelitten. Mit Mitte fünfzig steht der einstige Top-Manager, der zum Opfer der Bankenkrise wurde, vor den Trümmern seines Erfolgs: Die Firma ist pleite, die Ehe ist ruiniert und das Haus muss er verkaufen. Nicht einmal das Geld für das College seiner Tochter Kit kann er aufbringen. Das Spannungsfeld zwischen berufsobligatem Optimismus und ernüchterter Zukunftsangst hat tiefe Furchen in seine Mimik gezeichnet, der Tom Hanks meist nicht mehr als ein gequältes Lächeln verleiht. Vom nächsten Auftrag hängt also alles ab. Er soll dem saudischen König ein millionenschweres IT-Produkt andrehen: ein holografisches Projektionsverfahren zur virtuellen Simulation von Konferenzen. Das einzige As im Ärmel des biederen Schlipsträgers ist eher eine gezinkte Karte. Seine angebliche Bekanntschaft mit einem Prinzen des Königshauses war eigentlich eine oberflächliche Begegnung auf der Herrentoilette – und die liegt schon Jahrzehnte zurück. Der arabische Traum des Saudi-Herrschers ist ein wenig aus dem Tritt geraten. Wie eine Fata Morgana taucht (das keineswegs fiktive) „King Abdullah’s Economic City“ aus der Wüstenlandschaft auf: eine hochmoderne Geisterstadt aus einer Handvoll Hochhäusern und Straßen, die ins Nichts führen. Der Monarch hatte zuletzt nicht viel Zeit, sich um seine Vision einer Millionenmetropole am Roten Meer zu kümmern. An diesem bizarren Niemandsort zwischen Investitionsruine und Zukunftstraum landet Alan nun im schlecht klimatisierten Wüstenzelt mit schwachem WiFi-Empfang und einem jugendlichen Mitarbeiterteam, dem nicht einmal Lawrence von Arabien etwas sagt – und vom König ist weit und breit nichts zu sehen. Das Hologramm wird zum schillernden Sinnbild der Entfremdung von der Realität. So demontiert der Film in der originellen Eingangssequenz den Vorstadttraum der weißen Mittelklasse: Zur Musik der alten „Talking Heads“-Nummer „Once in a Lifetime“ lösen sich die materiellen Bausteine 52 | HEINZ | 05.2016

OBERON FILM GMBH Tom Tykwer – von der Kinokasse in Wuppertal zum Kinostar in Hollywood Sein Traum vom Kino ist in Erfüllung gegangen. Schon als Schüler drehte er in Wuppertal Super-8-Filme, schrieb Filmkritiken, jobbte an der Kinokasse und beriet die Programmarbeit der kommunalen Filminitiative. Mitte der 1980er Jahre verließ er seine Heimatstadt und versuchte bei einer Filmproduktion unterzukommen. 1988 begann er als Programmleiter des Kreuzberger Programmkinos Moviemento und gründete 1992 mit Stefan Arndt die Produktionsfirma Liebesfilm. Nach zwei Kurzfilmen gelang Tykwer 1994 mit „Die tödliche Maria“ gleich ein aufsehenerregendes Kinodebüt, das wirtschaftlich allerdings floppte. Zusammen mit dem Produzenten Stefan Arndt und den Regisseuren Dani Levy und Wolfgang Becker gründete Tykwer die bahnbrechende X-Filme Creative Pool Produktionsgesellschaft, die später Filmerfolge wie „Goodbye, Lenin!“, „Das Leben ist eine Baustelle“ oder „Absolute Giganten“ hervorbrachte. In „Winterschläfer“ (1997) bestätigte Tykwer sein Talent als Autorenfilmer, der auch auf die visuelle Gestaltung seiner Filme Wert legte. Neben dem Buch und der Regie zeichnete er auch für die Musik verantwortlich. Mit dem Kameramann Frank Griebe, dem Musiker Johnny Klimek und der Cutterin Mathilde Bonnefoy als regelmäßigen Mitarbeitern gelang 1998 mit dem rasanten Schleifendrama „Lola rennt“ der Durchbruch. Gut zwei Millionen Zuschauer sahen Franka Potente mit roter Perücke zu Moritz Bleibtreu spurten. Der Erfolg ließ auch in Amerika aufhorchen, wo der Film als „Run, Lola Run“ über fünf Millionen Dollar einspielte. Für das nächste Projekt „Der Krieger und die Kaiserin“ kehrte Tykwer in seine Heimatstadt zurück, seine Liebesgeschichte aus dem Tal war auch eine bildliche Liebeserklärung an die Stadt im Tal. Seine erste internationale Produktion realisierte Tykwer 2002 mit „Heaven“ nach dem Drehbuch des polnischen Autorenfilmers Krzysztof Kieślowski. Cate Blanchett spielte die Hauptrolle. 2006 folgte mit der Verfilmung des Bestsellers „Das Parfüm“ ein opulenter Historienfilm, der sein Budget von rund 60 Millionen Euro doppelt einspielen konnte. 2009 schloss sich mit dem Politthriller „The International“ erneut eine internationale Großproduktion mit Hollywood-Stars an. Im folgenden Jahr kehrte er mit „Drei“ in seine Wahlheimat Berlin als Schauplatz einer Männerbeziehung zurück. Für die Verfilmung des Romans „Cloud Atlas“ holten sich die Wachowski-Geschwister („Matrix“) Tom Tykwer ins Boot. Die weltumspannende Zeitreise wurde der teuerste Independent-Film bis dato und Tykwer stellte mit 100 Millionen Euro den bisherigen Budget-Rekord von „Das Parfüm“ weit in den Schatten. Das ambitionierte Projekt floppte in den USA, spielte aber weltweit seine Kosten ein. „Ein Hologramm für den König“ ist die zweite Zusammenarbeit Tykwers mit dem Top-Star Tom Hanks. Neben den genannten Spielfilmen hat der 50-jährige Tom Tykwer auch Beiträge zu mehreren Episodenfilmen („Paris, je t’aime“) beigesteuert, Drehbücher („Das Leben ist eine Baustelle“) verfasst und Filme für andere Regisseure („Absolute Giganten“, „Soulboy“) produziert. Derzeit entwickelt er die TV-Krimi-Serie „Babylon Berlin“, die in der Spree-Metropole der 1920er Jahre spielt. RUHR MUSEUM AUF ZOLLVEREIN 5.5.2016 5.2 BIS 28.2.2017 www.ruhrmuseum.de Rita McBride Arena, 1997 © Rita McBride/VG Bild-Kunst, Bonn 2016 Foto/Photo: Pablo Mason, 2014 des Glücks in Alans Leben in Rauch auf. Das Leben in der europäischen Enklave von Dschidda wird zur unwirklichen, exzessiven Gegenwelt des sittenstrengen Wahabitenstaates, dessen Dogma vor allem von der Doppelmoral getragen wird. Alan Clay entfremdet sich in dieser Schein-Welt auch von seinen eigenen Illusionen, seinem Pleite-Trauma und der Angststarre, die sich in einem Lipom materialisiert. Auch wenn alle Sitzgelegenheiten symbolträchtig unter ihm zusammenbrechen, findet Alan schließlich Halt in einer Erscheinung, die so unwahrscheinlich wie unkonventionell wirkt: die Ärztin Zahra, die ihn nicht nur vom Angstgeschwür befreit, sondern auch mit einer Welt versöhnt, in der nichts mehr so ist, wie man es sich einmal vorgestellt hat – den profitablen Millionendeal mit des Königs Hologramm inklusive. philipp koep Die Kunsthalle Düsseldorf wird gefördert durch Gefördert durch Ständige Partner In Kooperation mit ❚ EIN HOLOGRAMM FÜR DEN KÖNIG D/GB 2016, 98 Min., Regie u. Buch: Tom Tykwer, mit: Tom Hanks, Alexander Black, Sarita Choudhury, Sidse Babett Knudsen; Start: 28.4.

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