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HEINZ MAGAZIN WUPPERTAL 03-2017

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HEINZ Magazin März 2017, Ausgabe für Wuppertal, Solingen, Remscheid

Immer wieder ich

Immer wieder ich Drastische Selbstporträts Fast 70 Jahre lang malte Maria Lassnig ihren eigenen Körper. Nicht wie sie ihn sah, sondern wie sie ihn fühlte: Hunderte „Körperempfindungsbilder“ entstanden. Keines gleicht dem anderen. Zimperlich war die österreichische Künstlerin nie: Die ganze Palette menschlicher Emotionen erfährt und zeigt sie am eigenen Leib – ungeschönt, in allen Farben und Malstilen. Drei Jahre nach ihrem Tod präsentiert das Museum Folkwang eine große Maria-Lassnig-Retrospektive. Maria Lassnig: „Selbstporträt mit Maulkorb“, 1973 Maria Lassnig: „Selbstporträt expressiv“, 1945 Maria Lassnig: „Selbstporträt mit Kochtopf“, 1995 56 | HEINZ | 03.2017

MARIA LASSNIG: „ZWEI ARTEN ZU SEIN“ (DOPPELSELBSTPORTRÄT), 2000, ALLE WERKE © MARIA LASSNIG STIFTUNG D iese Frau traut sich was und schont sich nie – und bleibt auf ihren Bildern doch immer ganz sie selbst: Mal sieht man sie mit Kochtopf auf dem Kopf und verbundenen Augen, mal mit Schweinerüsselchen oder Maulkorb, oft mit sonderbaren Brillen, einäugig oder ganz augenlos, mal als Doppel- oder Dreifachporträt in ganz unterschiedlichen Inkarnationen, verschmolzen mit Gegenständen oder Tierleibern. Aber ob als Knödel, Ungeheuer, Kamera, Zitrone, Stuhl, Außerirdische, Rechenmaschine, Greisin oder Baby – immer ist es eindeutig Maria Lassnig, mit hohen Wangenknochen, schiefer Nase und kantigem Gesicht. Mal zeigt sie sich dezent in fast abstrakten Farbskizzen, mal in leuchtender, kraftvoller Malerei. So in dem grandiosen Spätwerk „Du oder ich“ (2005), wenn sie sich als nackte, breitbeinig sitzende ältere Frau mit entschlossenem Blick eine Pistole an die Schläfe setzt und ein zweite frontal auf den Betrachter richtet. Peng! Das Bild springt einem geradewegs ins Gesicht. „Drastische Malerei“ war die einzige Schublade, in die sich die österreichische Künstlerin Maria Lassnig stecken ließ. Erst in hohem Alter wurde die 1919 geborene Kärntnerin weltbekannt und zum Glück alt genug, um ihren späten Ruhm noch genießen zu können. Die Retrospektive im Museum Folkwang, konzipiert von Tate Liverpool in Kooperation mit der Maria Lassnig Stiftung, ist die erste große Ausstellung in Deutschland nach Lassnigs Tod 2014 und schlägt mit über 40 Hauptwerken, einigen Filmen und Archivmaterial einen großen Bogen vom ersten bis zum letzten Bildnis der Grande Dame der Malerei des 20. Jhs. Die Ausstellung geht unvermittelt in medias res, in locker chronologischer Hängung mit thematischen Schwerpunkten. Die ersten drei Räume empfangen den Ausstellungsbesucher mit Lassnigs zentralen Themen: Das Sehen, die Farbe und die Selbstreflexion als Malende. Im Bereich „Sehen“ überrascht die Konfrontation mit Selbstporträts ohne Augen. Das ist einzigartig in der Porträtmalerei und resultiert aus Lassnigs eigenwilliger Betrachtung ihrer Innenwelten: Nie malte sie sich vor dem Spiegel, sondern schloss die Augen und horchte im Malprozess tief in sich hinein, immer nah dran an ihren Gefühlen und der Leinwand. Auf Fotowänden sieht man die Künstlerin seitlich ausgestreckt auf ihrer Leinwand liegen und versonnen malen. Ihren Farben wies sie intuitive Bedeutungen zu, bestimmte sogenannte Schmerzfarben, Liebesfarben, Krebsangst-, Druck-, Spannungs-, Kälte- und Wärmefarben. Schon in den ganz frühen postkubistischen Arbeiten und quasi-abstrakten Experimenten, die Körperumrisse erahnen lassen, deutet sich die emotionale Funktion der Farbe in Lassnigs Malerei an. Erst im vierten Ausstellungsraum kommt die Biografie ins Spiel – ganz bezaubernd in dem Kurzfilm „Kantate“ von 1992. Die Künstlerin singt ihren Lebenslauf in vielen Strophen. Auch im Film steht sie allein im Vordergrund, in rasch wechselnder Kostümierung, hinterlegt mit illustrierenden Animationen. Sie besingt das eigenbrötlerische Mädchen aus ärmlichen Verhältnissen mit Zeichentalent, ihre Zeit an Schule und Wiener Akademie, in Paris, in New York, wo sie Trickfilm erlernte, und schließlich die Rückkehr nach Wien 1980, um mit 61 Jahren Professorin an der Kunsthochschule zu werden. Dann kam der große Erfolg ... Maria Lassnigs Spätwerk bleibt atemberaubend drastisch, ihrem 1948 für sich entdeckten Lebensthema „Körperempfindungen“ bleibt sie treu. Der letzte Ausstellungsbereich präsentiert in starken Bildern den alternden, gebrechlichen Körper, selbstbewusst und virtuos inszeniert. Ihr allerletztes Porträt als 93-Jährige ähnelt dem frühesten von 1945: Maria Lassnig mit Pinsel in der erhobenen Hand. So schließt sich der Kreis. Claudia Heinrich MARIA LASSNIG, MÄRZ 2002, FOTO: BETTINA FLITNER ❚ MARIA LASSNIG. Retrospektive Museum Folkwang, Museumsplatz 1, Essen; Eröffnung: 9.3., 19 Uhr; Dauer: 10.3.-21.5., Di/Mi/Sa/So 10-18 Uhr, Do/ Fr 10-20 Uhr; www.museum-folkwang.de BoSy Fokus 2 Fabulous Fifties CROSSOVER: UWAGA! Fr 03 03 17 Uwaga! 19 Uhr Ein turbulenter Abend mit Klassik, Jazz und Gipsy der 50er Jahre Anneliese Brost Musikforum Ruhr Kleiner Saal ORCHESTERKONZERT Sa 04 03 17 20 Uhr Bruno Maderna John Cage Bernd Alois Zimmermann Dmitri Schostakowitsch Duke Ellington Leonard Bernstein Anneliese Brost Musikforum Ruhr Großer Saal BOPPIN‘B Fr 05 03 17 20 Uhr Rock‘n‘Roll der 1950er Jahre Anneliese Brost Musikforum Ruhr Großer Saal BERNSTEIN Boppin‘B bochumer-symphoniker.de – Auch auf facebook Infos und Karten unter: 0234 910 8666

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