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HEINZ MAGAZIN WUPPERTAL 03-2017

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HEINZ Magazin März 2017, Ausgabe für Wuppertal, Solingen, Remscheid

Mensch Marx Von einem,

Mensch Marx Von einem, den jeder zu kennen glaubt Mit dem Zusammenbruch des Kommunismus schien der Bart ab, die Rauschebartbüsten von Karl Marx verschwanden sang- und klanglos wie der real existierende Sozialismus. Doch die neoliberale Krise ruft Politik mit Bart wieder auf den Plan. Mit dem Biopic „Der junge Karl Marx” weckt Raoul Peck die Erinnerung an den revolutionären Antagonisten des Kapitalismus – eine Filmlektion nicht nur für die Proletarier aller Länder. D er Titel irritiert: Sollen hier neckische Jugendstreiche einer Geistesgröße à la „Goethe!“ als launiger Primanerfilm ausgebreitet werden? Dafür ist Karl Marx und die Begründung des „Wissenschaftlichen Sozialismus“ ein zu sperriges Thema, zumal er längst nicht mehr obligatorisch zu den Geschichtslehrplänen gehört. Und der Titel unterschlägt gleich den ebenbürtigen Protagonisten Friedrich Engels, dessen Freundschaft und Förderung im Mittelpunkt dieser Biografie über die wenigen Jahre zwischen dem Pariser Exil und dem Ausbruch der Revolution von 1848 steht. Man kann dem deutschen Kino in den letzten Jahren keinen Mangel an Biopics attestieren, aber es musste ein Regisseur aus Haiti kommen, der sich an Marx und Engels heranwagte. Bisher gab es da nur eine stramm parteilinientreue Pflichtübung im sowjetischen Kino der 1960er-Jahre und Eisensteins gescheitertes Projekt über Marx’ Hauptwerk „Das Kapital“. Raoul Peck stellt sich einer schwierigen Aufgabe. Zur Darstellung des Gründungsaktes des Bundes der Kommunisten müssen zunächst die philosophischen Grundlagen der Hegelschen Dialektik und der Diskurs ihrer verschiedenen materiellen und ideellen Ausprägungen erläutert 52 | HEINZ | 03.2017

NEUE VISIONEN FILMVERLEIH Symbiotische Freundschaft Karl Marx und Friedrich Engels – ein revolutionäres Dreamteam. Lenin bezweifelte den revolutionären Geist der Deutschen. „Wenn diese Deutschen einen Bahnhof stürmen wollen, kaufen sie sich noch eine Bahnsteigkarte,“ soll er gesagt haben. Und dennoch waren es zwei Deutsche, die der Russischen Revolution den geistigen Überbau lieferten. Karl Marx und sein Freund und Mitstreiter Friedrich Engels machten die Philosophie politisch und entwickelten die Vorstellung von der Überwindung der Gesellschaftsgegensätze durch Klassenkampf bis hin zur kommunistischen Ordnung als historischem Endzustand der Gesellschaft. Die Revolution war ihnen nicht unbedingt in die Wiege gelegt. Karl Marx kam 1818 als Sohn eines jüdischen Anwalts in Trier zur Welt. Er studierte zunächst Jura und wechselte dann zu Philosophie, Ökonomie und Geschichte. Mit der Ansicht der Links-Hegelianer, dass die Gesellschaft das Sein des Individuums bestimmt und damit geändert werden muss, geriet er bald ins Visier der preußischen Zensur und wurde ins Exil in Paris, Brüssel und London gezwungen. Friedrich Engels kannte den Kapitalismus aus der Kinderstube. Der Spross eines reichen Textilunternehmers aus Barmen (heute: Wuppertal) sollte das Familienunternehmen fortführen. In England lernte er die verheerenden sozialen Folgen des Manchester-Kapitalismus kennen: rücksichtslose Ausbeutung und grauenhaftes Arbeiterelend. So nutzte er die väterliche Apanage, um den Umsturz zu fördern. Obwohl er im Schatten des Vordenkers Marx blieb, war er dessen Förderer in der häufigen materiellen Not und als Sprachgenie gewandter Kommunikator des schroffen Marx. Während Marx sich dem Studium widmete, verdiente Engels den Unterhalt, in dem er sich im väterlichen Unternehmen verdingte. Kurz vor Ausbruch der Revolution von 1848 schrieben Marx und Engels ihre Ideen im Manifest der Kommunistischen Partei nieder. Das Fazit „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ wurde die Parole der Arbeiterbewegung und der Hoffnung auf die Weltrevolution. Nach dem Scheitern der Revolution flohen Marx und Engels nach London. Während sie sich weiter den Sozialismus wissenschaftlich-theoretisch ausarbeiteten, blieben sie prägend für die Arbeiterbewegung und die deutsche Sozialdemokratie. Marx starb 1883 in London, Engels arbeitete weiter an den Ideen, korrespondierte mit europäischen Sozialisten und gab Marx’ Werke heraus. Engels starb 1895 ebenfalls in London. Ihre Geburtsstädte tun sich bis heute schwer mit ihren jeweils bedeutendsten Söhnen. SKIFAHREN/ SNOWBOARDEN MATERIAL- VERLEIH ESSEN VOM BUFFET GETRÄNKE (SOFTDRINKS, KAFFEE, TEE, BIER UND WEIN) NEUE VISIONEN FILMVERLEIH werden. Ebenso heterogen ist die frühsozialistische Ursuppe des Kommunismus; da sind Frömmler und Demagogen, Mutualisten und Anarchisten unterwegs. Auch diesem illustren Zeitbild längst vergessener Richtungskämpfe will der Film gerecht werden. Und dann ist da noch der Familienvater Marx, stets in existenziellen Sorgen, begleitet von einer unabhängigen Frau, die ihren Adelsstand für den Revolutionär aufgab. Last but not least ist da die symbiotische Freundschaft mit Friedrich Engels. Es gibt also viel zu erzählen, und das tut Peck auch im Stil eines mäßig museal ausgestatteten Dokumentarspiels mit den beiden artig frisierten Protagonisten August Diehl und Stefan Konarske. Erst im Abspann schlägt der Film mit einer historischen Collage der Krise des Kapitalismus vom Niedergang des Kolonialismus über den Schwarzen Freitag bis zur Finanzkrise von 2007. War also Marx nie so wertvoll wie heute? Eine politisch reizvolle Frage, die cineastisch einseitig daherkommt: Die Krise des Kommunismus kommt im antikapitalistischen Potpourri kaum vor. philipp koep ❚ DER JUNGE KARL MARX (Le jeune Karl Marx) F/B/D 2016, 118 Min., Regie: Raoul Peck, mit: August Diehl, Stefan Konarske, Vicky Krieps, Olivier Gourmet, Alexander Scheer, Michael Brandner; Start: 2.3.

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