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HEINZ Magazin Wuppertal 03-2016

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HEINZ Magazin März 2016, Ausgabe für Wuppertal, Solingen, Remscheid

KINO TIPP DES MONATS

KINO TIPP DES MONATS Selbstbestimmt sterben Das Thema Sterbehilfe polarisiert Seit Tomas Vinterbergs Dogma-Drama „Familienfest“ weiß der Zuschauer, dass es bei solchen Anlässen im skandinavischen Film nicht immer harmonisch zugeht. Im Drama des dänischen Regisseurs Bille August „Silent Heart “ findet die Zusammenkunft unter dem beklemmenden Vorzeichen der Sterbehilfe statt. Die vorgezogene Weihnachtsfeier gerät zum schwierigen Abschied von einer geliebten Person. SF FILM PRODUCTION, ROLF KONOW D ie Wolken stehen düster über dem idyllisch gelegenen Landhaus. Hier wohnt der Arzt Poul mit seiner Frau Esther und sie erwarten die Kinder zu einem denkwürdigen Wochenende. Als Schwiegersohn Mikal mit Tochter Heidi und Enkel Jonathan über den Kiesweg heranrollen, hupt Mikal vertraut, doch Heidi weist ihn zurecht: Das ist keine Feier. Als Tochter Sanne mit Freund Dennis eintrifft, wirft sie den Autoschlüssel in den See: Es wird wohl ein Besuch ohne Wiederkehr. Nach und nach verdichtet der Film die Hinweise auf den wahren Charakter des Anlasses. Das Glas gleitet Esther aus der Hand und es wird klar, dass sie nichts mehr zu verlieren hat: „Und wenn es alle Gläser kostet, werde ich den Cognac nicht mit dem Strohhalm trinken.“ Sie ist entschlossen, sich die Feier nicht nehmen zu lassen. Aber sie ist genauso entschlossen, die Feier so zu beenden, wie sie es geplant hat: Zwei Tage wird sie mit der Familie zusammen sein, man wird sogar das Weihnachtsfest vorziehen, und dann werden die Kinder nach Hause fahren. Eine Viertelstunde danach soll Poul ihr einen Medikamentencocktail verabreichen und sie wird friedlich sterben. Die Regie der schwerkranken Mutter verlangt allen ein Höchstmaß an emotionaler Disziplin ab. Und 52 | HEINZ | 03.2016

SF FILM PRODUCTION, ROLF KONOW Freitod im Kino Der Tod ist ein guter Bekannter im Kino. Wenn er nicht gerade in persona auftaucht wie einst Brad Pitt als „Joe Black“ oder Max von Sydow in Bergmanns „Das siebte Siegel“, dann ist er dennoch stets präsent. Es gibt sogar Hitlisten für Filme mit dem höchsten „bodycount“. Mit 836 akribisch gezählten Toten führt „Der Herr der Ringe – Die Rückkehr des Königs“ das morbide Ranking souverän an – über vier Tote pro Filmminute. Solch inflationärer Blutzoll macht den Tod zum Hintergrunddekor für Heldenlegenden, und das Komparsen-Massaker ist keine Filmträne wert. Anders steht es da um die Tragödie und besonders das Melodram, je nach Orchestrierung stirbt es sich seltener, dafür aber schöner, bittersüßer oder gar herzzerreißend. Wirklich ernst wird es mit dem Sterben meist erst dann, wenn der Tod zum Ausweg aus dem unerträglichen Leben wird – für die „Normalsterblichen“ meist ein Affront, zumindest eine Perspektive, in die man sich hineinfühlen muss. Mit der Alterung der Gesellschaft (und des durchschnittlichen Kinopublikums) rückt das Lebensende in den letzten Jahren immer stärker in den Fokus des Films. Und mit der Vorstellung des selbstbestimmten Lebens stellt sich auch die Frage nach dem selbstgewählten Todeszeitpunkt. Bereits 1981 stellte Hollywood mit John Badhams „Ist das nicht mein Leben?“ die ethisch heikle Frage nach dem Wert des medizinisch fremdbestimmten Lebens. Doch das Thema Sterbehilfe war bereits 40 Jahre zuvor von Wolfgang Liebeneiners „Ich klage an“ aufgebracht worden, freilich im unseligen Kontext der NS-Propaganda für die mörderische Euthanasie des Regimes. Analog zur gesellschaftlichen Diskussion und der juristischen Neubewertung der Tötung auf Verlangen griff das Kino auch die aktive Sterbehilfe auf, die in Deutschland nach wie vor verboten ist. Gleich zwei Genickbrüche mit Querschnittslähmung und anschließender Suizidhilfe waren 2004 Gesprächsstoff: die Boxerinnentragödie „Million Dollar Baby“ bediente den Mainstream und Alejandro Amenábars „Das Meer in mir“ das Arthouse-Publikum. Clint Eastwoods Film kassierte die wichtigsten Oscars und machte seinem Namen an der Kinokasse alle Ehre. Auch der spanische Film wurde mit Auszeichnungen überhäuft, darunter der Auslands-Oscar. In Deutschland verhieß „Emmas Glück“ (2006) auch das Recht auf ein schmerzloses Ende: pikanterweise für Mensch und Schwein. Ausgerechnet unter dem Titel „Liebe“ kam 2012 die vielleicht eindrücklichste, beklemmendste und ergreifendste Geschichte über den Gnadentod ins Kino. Obwohl er sich aufopferungsvoll der Pflege seiner gelähmten Frau widmet, kann George ihr Dahinsiechen nicht mehr ertragen und drückt ihr das Kopfkissen aufs Gesicht. Michael Haneke inszenierte den „Mord“ als Akt der Liebe. Mit Mut zum Humor kam 2014 die israelische Produktion „Am Ende ein Fest“ daher: Ein Gruppe Rentner plant die Sterbehilfe für eine Freundin und wird von der regen Nachfrage im Altersheim überrollt – in Israel muss man sich nicht mit dem braunen Schatten der Euthanasie herumschlagen. Zeitgleich schickte Christian Züberl einen Freundeskreis auf Abschiedsreise nach Belgien. Das Ziel ist eine Sterbeklinik an der Nordsee, wo Hannes sich die letzte Etappe der unheilbaren Krankheit ALS ersparen will. Um diese unaufhaltsame Degeneration des Nervensystems, die weithin durch den prominenten Patienten Stephen Hawking und die „Ice Bucket Challenge“ bekannt wurde, geht es auch in „Silent Heart“, der bereits im Jahr 2014 produziert wurde. doch hadert Sanne mit dem angekündigten Verlust der Mutter. Heidi, stets die verantwortungsbewusste große Schwester, hat alle Mühe, die psychisch labile Sanne davon abzuhalten, Esthers Plan zu torpedieren. Doch dann kommt Heidi selbst ein schrecklicher Verdacht. Bille August geht es weniger um die selbstbestimmte Entscheidung über Leben und Tod als um die Folgen für die Hinterbliebenen einer solchen Entscheidung. Mit der Top-Riege dänischer Schauspieler gelingt ein Familiendrama ohne Happy Ending, aber auch ohne Leichen im Keller. pk ❚ SILENT HEART (Stille hjerte) DK 2014, 97 Min., Regie: Bille August, mit: Ghita Norby, Morten Grunwald, Paprika Steen, Danica Curcic, Jens Albinus; Start: 24.3. Josef Albers Museum.Quadrat Bottrop www.quadrat-bottrop.de Andreas Karl Schulze BOTBOTBOT 21.2. 8.5.2016 Miles Coolidge Fotografien und ‚Chemical Pictures‘ 21.2. 8.5.2016 Generationsübergreifend POLNISCHE KUNST in Marl 6.MÄRZ BIS 12.JUNI 2016 Creiler Platz 1, 45768 Marl http://www.skulpturenmuseum-glaskasten-marl.de 03.2016 | HEINZ | 53

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