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HEINZ MAGAZIN ESSEN 05-2017

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HEINZ Magazin Mai 2017, Ausgabe für Essen

AUSSTELLUNGEN TIPP DES

AUSSTELLUNGEN TIPP DES MONATS Sieben Särge Es gibt einen Tod nach dem Leben Erdmöbelpräsentation der besonderen Art in der cubus kunsthalle. Aus Särgen werden künstlerische Kommentare zum Thema Sterben, Tod und Religion. Nach einer ersten Ausstellung in Wuppertal im Jahr 2015 zeigt der Künstler Gerhard Rossmann jetzt in Duisburg nicht nur seine sieben Särge, sondern auch neue Arbeiten. Erstmalig gezeigt wird ein zehn Meter breites Wandbild mit der Darstellung aller je geborenen und durch Gewaltanwendung gestorbenen Menschen. Sarg Eins: Das jenseitige Tal (Foto: C. Ose) Sarg Vier: Blackbox (oben), Sarg Sechs: Der Überlebenssarg (unten rechts, Fotos: GR) 56 | HEINZ | 05.2017

D ie letzte Behausung des Menschen ist ein kleiner Raum. Ein Zimmer aus Kiefer-, Fichten-, Eichenbrettern. Eine Ruhestätte. Ein Raum zum Verwesen oder eine Brennkammer für die Einäscherung.“ So prosaisch beschreibt Rossmann sein Verhältnis zu den letzten vier Wänden. Das mit Erinnerungen und Emotionen aufgeladene Volumen ist für den ehemaligen Verleger und HEINZ-Herausgeber Projektionsraum für die künstlerische Reflexion über Sterben, Tod, Glauben und Gesellschaft. Allein vier seiner Erdmöbel beschäftigen sich mit Religion. Seine Stilmittel erinnern an Modelleisenbahnlandschaften und Krippenarrangements. Sarg Nummer Eins mit dem Titel „Das jenseitige Tal“ beinhaltet eine idyllische Landschaft à la Allgäu mit einem kleinen Flüsschen. Sieht so das Paradies aus? Oder Sarg Drei „Die Himmelfahrt“. Ein Hubschrauber wartet auf diejenigen, die auf einer Treppe der Totenlade entsteigen. Wer jetzt annimmt, der Künstler sei ein gläubiger Zeitgenosse, liegt verkehrt. Rossmann zitiert zur Charakterisierung seines Standpunktes Karl Marx: „Religion ist Opium des Volkes“. Ein Glaube sei an die Existenz des lebenden Körpers gebunden und reines Menschenwerk. Dies gelte für die fünf Weltreligionen und die weltweit an die 670 Kirchen, Kulte und weltanschaulichen Bewegungen, so der Wuppertaler. „Bis dass der Tod uns scheidet“ heißt konsequenterweise daher ein Sarg mit religiösen Insignien, deren Präsentation an die Zurschaustellung von Reliquien erinnert. Formal etwas aus der Reihe scheint „Blackbox“ zu fallen. Der Sarg wird dominiert von einem Original Flight Recorder aus einer ukrainischen Antonow. Getragen wird der orangefarbene Recorder von einer schweren Granitgrabplatte mit einem Zitat aus Nietzsches Religionskritik „Der Tod Gottes wird ausgerufen.“ Nähert sich der Besucher der Totenlade, sind anschwellende Herzschläge zu hören, die nach einiger Zeit wieder verstummen. Gegen den Vorwurf, der Sarg sei von seiner Intention etwas makaber, wehrt sich der Künstler. Er bezeichnet die letzten aufgezeichneten Minuten eines Menschen als „etwas besonders Dramatisches und Erhabenes“. Zurück zu den Wurzeln allen Lebens kehrt Rossmann mit seiner Installation „Wir alle sind nur Sternenstaub“. Auf einem langen Tisch mit sieben nostalgisch anmutenden Haushaltswaagen zeigt er chemische Verbindungen in amorpher Form, deren Elemente im menschlichen Organismus vertreten sind, darunter Kohlenstoff und Eisen. Die jeweiligen Mengen auf den Wiegeschalen entsprechen dem Gewicht der Asche einer Kremierung. Beigefügte nummerierte hitzebeständige Schamottesteine verweisen auf die Praxis im Bestattungswesen, so die Identität der Eingeäscherten festzuhalten. Öffentliche Premiere hat in Duisburg auch ein zehn Meter breites Wandbild mit der Darstellung aller über Jahrtausende je Geborenen und je Gestorbenen in Form von Icons. Unterschiedliche farbliche Zuweisungen bilden gewaltsame Todesursachen der Menschheit von der Früh- bis zur Jetztzeit ab. Anlässlich der Ausstellungseröffnung fällt auch der Startschuss für die Abstimmungs-Website zur „Gotteswahrscheinlichkeit“. Die Frage von Gottes Existenz oder Nichtexistenz wird auf der Site in sieben Kategorien thematisiert. Den Begriff der Gotteswahrscheinlichkeit prägte der britische Evolutionsbiologe Richard Dawkins. In seinem 1999 erschienenen Bestseller „The God Delusion“ (als deutsche Übersetzung 2007 veröffentlicht: „Der Gotteswahn“) verortet er in seiner Siebener-Skala auch den eigenen Standpunkt in der Glaubensfrage. Während der Ausstellung finden an zwei Samstagen auf der Duisburger Königstraße und am Innenhafen zwei Videoaktionen statt. Passanten werden gebeten, den Satz „Ich werde sterben“ in die Kamera zu sprechen. Rossmann hat diese Aktion auch schon 2015 während der Ausstellung in Wuppertal mit den Besuchern der Schwarzbach-Galerie durchgeführt. „Das bei YouTube zu sehende Video offenbart die subtilen Nuancen, mit denen Menschen die unumstößliche Aussage treffen. Bei dem einen tritt Melancholie zu Tage, andere wiederum tragen körpersprachlich eher Gelassenheit oder Ergebenheit zur Schau“, beschreibt der Künstler die Bandbreite an Reaktionen. Ein Fazit, welche Reaktionen die Ausstellung „Sieben Särge“ bei den Besuchern und Besucherinnen hervorrufen wird, kann Rossmann spätestens am 4. Juni ziehen. jpsz ❚ SIEBEN SÄRGE cubus kunsthalle duisburg (im Kantpark), Friedrich-Wilhelm-Str. 64, Duisburg, Tel. (0203) 26236; Dauer: 6.5.-4.6., Mi-So 14-18 Uhr; Eröffnung: 5.5., 19 Uhr; Videoaktionen: Sa, 6.5., 11.30-13.30 Uhr Königstraße gegenüber Karstadt und Sa, 13.5., 14.30-16.30 Uhr Am Innenhafen/Ecke Philosophenweg. Das Aktions-Video wird am 4.6., 15 Uhr in der cubus kunsthalle gezeigt. www.siebensaerge.de 02. Wissenschaft in Essen live erleben. Besondere Veranstaltungen und Aktionen. Neueste Erkenntnisse: Verständlich, nah, spannend. Kooperationspartner Mit freundlicher Unterstützung von Medienpartner

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