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HEINZ MAGAZIN DUISBURG 01-2017

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HEINZ Magazin Januar 2017, Ausgabe für Duisburg

KONZERTE TIPP DES MONATS

KONZERTE TIPP DES MONATS © BORIS BREUER Nie stehen bleiben Vier gewinnt immer noch Wer über deutschen HipHop spricht, spricht automatisch über Die Fantastischen Vier. Sie waren Wegbereiter und Vorantreiber des Genres, blieben nie auf der Stelle stehen und sprühen auch nach einem Vierteljahrhundert nur so vor Ideen. Ihre „Vier und Jetzt“-Tour führt sie im Januar in die König- Pilsener-Arena nach Oberhausen und in die LANXESS arena nach Köln. W o anfangen? An welchem Punkt brach das Ganze los? 1992 vielleicht, als vier schwäbische Hänflinge aufgedreht durch ein grell-buntes Musikvideo staksten und mit überzogenen Hip- Hop-Gesten „freitags ist sie nie da!“ zum geflügelten Wort hochjubelten? Oder doch schon drei Jahre zuvor, als die Herren Michael Bernd Schmidt, Andreas Rieke, Michael Beck und Thomas Dürr in Stuttgart- Wangen eine eigens gezimmerte Bretterbühne aus Europaletten betraten, um einen ehemaligen Kindergarten zu rocken? Unbestritten ist jedenfalls, dass die Fantastischen Vier die erste Formation waren, die mit deutschem HipHop – verzeih! – Sprechgesang kommerziellen Erfolg hatte. Wo die nationale Szene heute ohne Songs wie „Die da!?!“, „Tag am Meer“ oder „Der Picknicker“ stehen würde, vermag man nicht zu beurteilen – sie wäre jedoch ohne Frage eine andere. Aber wen interessieren schon die anderen! Smudo, And.Ypsilon, Michi Beck und Thomas D zogen von Beginn an und bis heute erfolgreich ihr Ding durch und legten einen beachtlichen Weg zurück: Neun Top-10-Alben, fünf ECHOS, zwei „MTV Unplugged“-Sessions, Filmauftritte und Synchronisationen („Madagascar“). Zuletzt erhielten die Jungs den Ehrenpreis des Deutschen Nachhaltigkeitspreises, denn auch das sind die Fantas: Engagement für die Tierschutzorganisation Peta e.V., Kampagnen für Amnesty International, Unterstützung der Initiative „Laut gegen Nazis“ u.v.m. Dass das Quartett sein einst 1996 gegründetes Label „Four Music“ nach neun Jahren verkaufen musste, verdeutlicht darüber hinaus zweierlei: Auch der erfolgreichste Weg kommt nicht ohne ein paar Dellen aus; zudem haben die Jungs die Krise der Musikindustrie komplett miterlebt – wer möchte, kann den kompletten Fanta-4-Katalog schließlich auch streamen. Vielleicht ist das auch der Punkt, an dem mit Klischees aufgeräumt werden darf. Groupies, fliegende Hotelzimmer-Fernseher, Alkohol: Ja, gab es bei den Stuttgartern schon. Aber irgendwie immer in Maßen, immer alles etwas brav. Oft zielen Fragen in Bandinterviews heute aufs Alter ab. Alle vier Mitglieder erreichen spätestens nächstes Jahr die runde 50. Nicht selten wird die Relevanz des deutschsprachigen HipHops diskutiert oder Finanzielles erörtert, kommt die letzte Best-of-Compilation der Fantas doch beispielsweise auch im edlen Holz-Humidor daher, der für einen dreistelligen Betrag zu haben ist. Aber wer möchte das den Vieren verübeln, die einst auszogen, um Popstars zu werden? Die nie stehen blieben, sich immer neu erfanden und bis heute die ein oder andere Metamorphose vollzogen. Nach dem 92er-Wurf „Vier Gewinnt“ waren sie plötzlich da, die jungen BRAVO-Leserinnen, die Charts, ja, sogar die ZDF-Hitparade mit Dieter Thomas Heck! Was heute kaum vorstellbar ist, war damals kreischende Realität: Die Fantastischen Vier waren eine astreine Teenie-Band. Mit der Platte „Die Vierte Dimension“ gelang ein Jahr später der notwendige Gegenentwurf. Der psychedelische „Tag am Meer“, die elektronischen Sounds und die verzerrten Stimmen sorgten im wahrsten Sinne des Wortes für ganz neue Töne. Wer da noch immer nicht vom straighten Weg der Fantas begeistert war, erhielt mit der Veröffentlichung von „Lauschgift“ (1995) eine weitere Chance: „Populär“, „Was geht“ und der Über-Ohrwurm „Sie ist weg“ manifestierten den Popstar- Status des Quartetts. Und was kam nach dem Rausch? Die Stille bzw. eigene Projekte. Thomas D. begab sich auf Solopfade und haute mit „Rückenwind“ einen Hit raus und Michi Beck alias Hausmarke startete das DJ-Projekt Turntablerocker. 20 | HEINZ | 01.2017

Doch irgendwie konnte man doch nicht ohne die anderen, sodass nach vierjähriger Bandpause das Studioalbum „4:99“ samt Single „Mfg“ erschien. Von da an nahm die Geschichte wieder an Fahrt auf: Für die bereits erwähnten „Unplugged“-Gigs verzogen sich die Jungs gleich zweimal in eine Höhle im tiefsten Sauerland, wo neben Flügel, Flöten und Streichern auch eine Motorsäge zum Einsatz kam. Das Album „Viel“ ging auf Chartplatz 2; die drei Nachfolger „Fornika“, „Für dich immer noch Fanta Sie“ und „Rekord“ allesamt auf 1. Und mittlerweile urteil(t)en ja sogar drei der vier Bandmitglieder selbst darüber, wer das Zeug zum Star hinterm Mikro hat. Seit 2014 sitzen Michi Beck und Smudo als Coaches bei „The Voice of Germany“ im Sessel; Thomas D bekleidete einst das Amt des Jury-Präsidenten beim Format „Unser Star für Baku“, bei dem 2012 der deutsche Teilnehmer (Roman Lob) für den Eurovision Song Contest ermittelt wurde. Dass die Fantas allerdings nicht den Kontakt zu ihren Ursprüngen verloren haben, zeigt eine analoge Live-Session, die sie im vergangenen Oktober gemeinsam mit dem DJ-Weltmeister Eskei83 im Wiener Aufnahmestudio „Supersense“ hingelegt haben. Der Clou an der Location: Im Anschluss wurden unmittelbar vor Ort ein Vinyl-Master gekratzt, Tonbänder angefertigt und Musikkassetten produziert. Zurück zur Basis, sozusagen. Wohin der nun über 25-jährige Erfolgsweg weiterführt, wissen Smudo, And.Ypsilon, Michi Beck und Thomas D möglicherweise selbst noch nicht. Gerade die Rezeption der Best-of-Compilation „Vier und Jetzt“ verdeutlicht, was sich da für Song-Schätze über die Jahre angesammelt und in den Gehörgängen manifestiert haben. Bevor es aber wieder zur kreativen Häutung kommt, öffnen die Jungs ihre vollgepackte Hit-Kiste im Januar in Oberhausen und Köln. Und wer weiß: Vielleicht wird es dort dann trotz all der Auszeichnungen, Chartpositionierungen und riesigen Konzert-Venues einen kurzen Moment geben, an dem es so nah, direkt und unbekümmert ist wie damals zwischen Bretterbühne und „freitags ist sie nie da!“ Robert Targan ❚ DIE FANTASTISCHEN VIER König-Pilsener-Arena, Arenastr. 1, Oberhausen; Termin: 21.1., 19.45 Uhr; Preis: ab 55 € + LANXESS arena, Willy-Brandt-Platz 3, Köln; Termin: 27.1., 19.45 Uhr; Preis: ab 51 € 01.2017 | HEINZ | 21

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