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HEINZ Magazin Dortmund 02-2016

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HEINZ Magazin Februar 2016, Ausgabe für Dortmund

KINO ÜBERSICHT

KINO ÜBERSICHT HEINZ-AUTOR MOVIENET DRAMA UM EINE ENTWICKLUNGSHELFERIN ... in geschlossenen Räumen ■ Hinter dem Paradoxon des Titels „Das Wetter in geschlossenen Räumen” verbirgt sich eine Metapher auf die grotesken Widersprüche der Entwicklungshilfe. Dorothea Nagel ist sozusagen Charity-Lady von Amts wegen. Für die Unesco organisiert die weltgewandte Dame exklusive Wohltätigkeitsveranstaltungen, um den Spendern den Griff ins Portmonee zu erleichtern. Doch die Großzügigkeit der Reichen ist auch ihr Geschäftsmodell und immer öfter umfängt sie in den Luxussuiten ihrer Hotels die Leere ihres Daseins, die sie mit Alkohol, Drogen, Zynismus und gelegentlichen Liebschaften zu ersticken versucht. Mit Maria Furtwängler hat Regisseurin Isabelle Stever zwar eine mondäne Besetzung ihrer Hauptfigur gefunden. Doch kann sie das desolate Kammerspiel mit theatralischen Dekadenz-Posen und einer kaum stringenten Handlung nur dürftig füllen. pk ❚ DAS WETTER IN GESCHLOSSENEN RÄUMEN D 2015, 100 Min, Regie u. Buch: Isabelle Stever, mit: Maria Furtwängler, Mehmet Sözer, Barbara Bouchet; Start: 28.1. AMMENMÄRCHEN AUS DER EUROZONE Ein Atem ■ Was vordergründig als packender Psychothriller um ein verschwundenes Kind gesehen werden kann, zeigt sich auch als hintergründige Befindlichkeitsanalyse im gespannten deutsch-griechischen Verhältnis. Tessa ist Mitte 30 und müsste nicht arbeiten, aber nur für ihre Tochter da zu sein, ist ihr zu wenig. Elena ist Anfang 20 und würde gern arbeiten, aber die Perspektiven in Athen sind deprimierend. In Deutschland treffen die gegensätzlichen Schicksale aufeinander. Um ihren stressigen Agenturjob zu stemmen, engagiert Tessa die junge Griechin als Tagesmutter für Lotte. Als Elena erfährt, dass sie selbst schwanger ist, gerät auch sie unter Druck. Dann kommt es zur Katastrophe. Christian Züberts Mutter-Drama wechselt raffiniert die Perspektiven und unterwirft den Zuschauer einem Wechselbad der Sympathien, ohne seine Figuren zu denunzieren. pk ❚ EIN ATEM D 2015, 100 Min., Regie: Christian Zübert, mit: Jördis Triebel, Chara Mata Giannatou, Benjamin Sadler, Apostolis Totsikas, Mary Nanou; Start: 28.1. WILD BUNCH GERMANY PHILIPP KOEP Wer bekommt den Oscar? Mehr oder weniger skandalös gibt sich das Kinoprogramm im Vorfeld von Berlinale und Oscarverleihung. Mit „Erschütternde Wahrheit” (Start: 18.2.) über die Machenschaften im Profi-Sport und „Spotlight” (25.2.) über die Vertuschung von Missbrauch in der Katholischen Kirche gehen gleich zwei Hollywood- Mainstreamproduktionen aussichtsreich ins Rennen um das goldene Männlein. „Skandal” schreien Menschenrechtsaktivisten, weil kein Schwarzer für den Oscar nominiert wurde, dafür moderiert der schwarze Komiker Chris Rock die Film-Verkaufsveranstaltung. Alte Skandale bereitet das Drama „Suffragette” (4.2.) über Emmas Ahninnen auf. Auch einen alten Skandal gräbt „Colonia Dignidad” (18.2.) auf: die Sektensiedlung des Deutschen Paul Schäfer als KZ-Kolonie unter dem Schutz der chilenischen Junta und mit dem Segen deutscher Christdemokraten. Fast schon auf Skandal abonniert ist Quentin Tarantino, der seine Splatter-Orgie „The Hateful 8” (s. Story, 28.1.) diesmal im Schnee veranstaltet, und Jennifer Jason Leigh könnte den Oscar für mannhaften Mut zur Hässlichkeit bekommen. Philipp Koep MAJESTIC, RICARDO VAZ PALMA HISTORISCHES EMANZIPATIONSDRAMA Suffragette ■ Emmas Ahninnen. Die Frauenpower von anno dunnemals wurde vom Patriarchat als Zickenterror empfunden. Nicht ganz zu Unrecht, denn die Emanzen des späten 19. Jahrhunderts schreckten auch vor militanten Aktionen nicht zurück. Vom Kampf der Frauen für die Gleichberechtigung und ihre Radikalisierung erzählt Sarah Gavron in ihrer Würdigung der Suffragetten. Wäscherinnen wie Maud erwartet im Londoner East End kein KOMÖDIE Hail, Caesar! langes Leben. Zu ihrem schlecht bezahlten Knochenjob muss Maud auch noch die Missachtung der Männer und die Belästigungen ihres Chefs ertragen. Als sie beginnt, sich für den Kampf der Frauen um Emmeline Pankhurst zu interessieren, gerät sie bald in einen Rollenkonflikt als Ehefrau und Mutter und ins Visier des infamen Inspector Steed. Nachdem sie mehrfach verhaftet worden ist, macht Maud sich auf, dem König zu begegnen pk ❚ SUFFRAGETTE – TATEN STATT WORTE (Suffragette) GB 2015, 106 Min., Regie: Sarah Gavron, mit: Carey Mulligan, Helena Bonham Carter, Meryl Streep; Start: 4.2. UNIVERSAL PICTURES INTERNATIONAL FRANCE POLIT-THRILLER Colonia Dignidad ■ Die Kolonie der Würde war eigentlich das letzte deutsche KZ. Gegründet 1960 in Chile baute der Sektenführer Paul Schäfer eine „christliche Gemeinschaft” auf, die ganz auf seine messianische Figur und seine sadistischen Neigungen zugeschnitten war. In der Zeit der Diktatur genoss das Terror-Regime Schäfers Deckung von höchster Stelle. Derweil diente sich Schäfer mit der Produktion und Beschaffung von Waffen und Folterdiensten für den chilenischen Geheimdienst an. Florian Gallenberger erzählt vor dem realen Hintergrund dieser düsteren deutschchilenischen Episode die fiktive Geschichte eines deutschen Paares, das sich 1973 für das sozialistische Modell Allendes engagiert. Nach dem Putsch von General Pinochet wird Daniel (Daniel Brühl) in die Colonia Dignidad verschleppt. Allen Gefahren zum Trotz lässt sich seine Freundin Lena (Emma Watson) in die Gemeinde einschleusen. pk ❚ COLONIA DIGNIDAD – ES GIBT KEIN ZURÜCK D/USA 110 Min., Regie: Florian Gallenberger, mit: Daniel Brühl, Emma Watson, Michael Nyqvist; Start: 18.2. ■ Dem Imperator droht Unheil und vor allem dem Imperium. Halb Hollywood haben die Coen-Brüder mobilisiert, um der Traumfabrik der 50er Jahre ihre ganz eigene Referenz zu erweisen. Mitten ins Studiosystem haben sie ihre ebenso tragikomische wie natürlich fiktive Hommage installiert. Hauptfigur ist nicht etwa der Titelheld, sondern Eddie Mannix, ein Problem-Löser von ganz eigenem Zuschnitt. Er soll den verschwundenen Hauptdarsteller eines Monumentalfilms ausfindig machen, dessen vermeintliche Entführer stellen und alles rechtzeitig erledigen, damit die Presse nichts von dem Skandal erfährt. In bewährter Manier rekonstruieren die Coen-Brüder klassische Hollywood-Genres vom Sandalenfilm bis zu den Musicals von Fred Astaire oder Esther Williams in schönstem Technicolor, um den Zirkus dann süffisant durch den Kakao zu ziehen. pk ❚ (HAIL, CAESAR!) USA 2016, Regie u. Buch: Joel u. Ethan Coen, mit: Josh Brolin, George Clooney, Scarlett Johansson, Ralph Fiennes, Channing Tatum; Start: 18.2. 2016 CONCORDE FILMVERLEIH GMBH 50 | HEINZ | 02.2016

PIFFL MEDIEN 2016 SONY PICTURES RELEASING GMBH THRILLER ÜBER JOURNALISTEN Spotlight ■ Spätzünder. Vier Jahrzehnte sind seit dem Watergate-Skandal vergangen, zwei Jahre dauerte es, den Skandal aufzudecken und vier Jahre brauchte Hollywood, um die journalistische Heldengeschichte zu zelebrieren. Pakulas „Die Unbestechlichen” kassierte 1977 vier Oscars. Als Nixon noch im Amt war, gab es in Boston schon Gerüchte über systematisch vertuschten sexuellen Missbrauch von Kindern durch katholische Priester. Erst 2002 ENTHÜLLUNGSTHRILLER Erschütternde Wahrheit machte der „Boston Globe” das Thema publik. Noch einmal ein Dutzend Jahre später bringt Hollywood den Skandal auf die Leinwand – und kann sich Oscar-Chancen ausrechnen. Mit mainstream-routinierter Thrillerattitüde hat sich Tom McCarthy an einen Skandal gemacht, gegen den Nixons krumme Dinger wie Bagatellen wirken. Die (wahre) Geschichte über den Reporter-Pool „Spotlight” ware fast im 9/11-Spektakel untergegangen. pk ❚ (SPOTLIGHT) USA2015, 128 Min., Regie: Tom McCarthy, mit: Michael Keaton, Mark Ruffalo, Rachel McAdams, Liev Schreiber, Stanley Tucci, Billy Crudup; Start: 25.2. DOKUDRAMA Francofonia ■ Kunst-Kiste. Die Gegenwart: Auf dem Atlantik kämpft ein Schiff in schwerer See. Die Ladung, Container mit unersetzlichen Museumsgemälden, droht verloren zu gehen. Die Vergangenheit: Die Wehrmacht übernimmt mit der Besatzung von Paris auch die Herrschaft über das kulturelle Herz der Nation, den Louvre. Mit seinem Film-Essay verbindet der russische Filmemacher Aleksander Sokurov scheinbar zusammenhanglose Ereignisse ■ Sport ist Mord. Die alte Couch-Potato- Weisheit wird in dem NFL-Thriller über die wahrhaft erschütternde Diagnose des Neurologen Dr. Bennet Omalu (Will Smith) unversehens Gewissheit. Bei der Untersuchung der Suizide von zwei ehemaligen Football-Profis kommt der nigerianische Arzt zu einer verblüffenden Erkenntnis: Beide litten unter fortgeschrittener Degeneration des Gehirns. Der Mediziner führt diese Schäden auf die häufigen schweren Kopfstöße in dem Raubein- Sport zurück, die wie bei Boxern zu Hirnschäden führen. Doch bei den Vereinen des milliardenschweren Profi-Sportgeschäfts will niemand etwas von diesem Risiko wissen. Ein Kampf um die „erschütternde Wahrheit“ beginnt. Nach einer wahren Geschichte aus dem Jahr 2004 inszenierte Peter Landesman den Sportskandal sehr konventionell, aber mit sportpolitischer Brisanz. pk ❚ ERSCHÜTTERNDE WAHRHEIT (Concussion) USA 2015, 123 Min., Regie: Peter Landesman, mit: Will Smith, Albert Brooks, Bitsie Tulloch, Alec Baldwin; Start: 18.2. zu einer Betrachtung des Wertes von Kultur. Aus historischen Aufnahmen, Gegenwartsmaterial und Spielszenen kombiniert er eine Reflektion über das legendäre Museum als Hort europäischer Identität. Anders als in den fiktionalen Weltkriegs-Kunstretterdramen „Monument’s Men“ von George Clooney und „Diplomatie“ von Volker Schlöndorff macht Sokurov aus der reinen Fiktion seiner eigenwilligen Einsichten keinen Hehl. pk ❚ (FRANCOFONIA) F/D/NL 2015, 88 Min., Regie u. Buch: Aleksander Sokurov, mit: Louis-Do de Lencquesaing, Benjamin Utzenrath, Vincent Nemeth; Start: 3.3. KERRY HAYES, OPEN ROAD FILMS

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