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HEINZ Magazin Dortmund 01-2016

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HEINZ Magazin Januar 2016, Ausgabe für Dortmund

KINO TIPP DES MONATS Die

KINO TIPP DES MONATS Die Kray-Zwillinge Der „Walk on the wild side” der Oberschicht Sie waren die Paten von Swinging London: die Kray-Brüder. Bis heute sind sie ein schillerndes Faszinosum zwischen artigen Muttersöhnchen, psychotischen Gewaltmenschen, skrupellosen Unterweltkönigen und tragischer Zwillingsbindung. In „Legend“ nimmt Regisseur Brian Helgeland das Psychogramm dieser fatalen Beziehung in den Blick: die Entzauberung einer Gangster-Legende. R onnie Kray ist ein Typ, mit dem man lieber nichts zu tun haben möchte, ein echter Soziopath. Er kombiniert eleganten Snobismus mit vulgärer Rohheit, sentimentale Philantropie mit unberechenbarem Sadismus, schwules Selbstbewusstsein mit einer verkrachten Persönlichkeit und Leutseligkeit mit abgrundtiefem Misstrauen. Und Ronnie Kray verachtet Frauen – außer Mutti, natürlich. Reggie Kray ist ein Frauentyp, einer, dem sie seine Verbrechen wie einen Lausbubenstreich verzeihen, wenn er seinen jungenhaften Charme spielen lässt. Er ist ein Rebell, der sich auch mit Handschellen nicht von vier Wächtern mit Schlagstöcken beeindrucken lässt. Reggie sitzt zwar artig bei Mama bei selbst gebackenem Kuchen am Teetisch, aber wenn Violet Kray mit Ronnie über seine Braut Frances herzieht, lässt er Ronnie das nicht durchgehen. Anders ist das, wenn der unbeherrschte Ronnie wieder einmal Mist gebaut hat. Reggie liebt seine Frances, aber Blutsbrüderschaft mit Ronnie ist dicker als ihr Tränenwasser. Und auch die Geliebte wird schließlich Opfer der ungezügelten Gewalt. Ronnie und Reggie werden beide von Tom Hardy gespielt, ein raffinierter Kunstgriff von Brian Helgeland und eine darstellerische Tour de Force des britischen Mimen, der zuletzt in „Mad Max: Fury Road” zu sehen war. Der physiognomischen Ähnlichkeit der Zwillingsbrüder setzt 52 | HEINZ | 01.2016

STUDIOCANAL, GREG WILLIAMS Die einzigen Gangster Englands Mit zehn Minuten Abstand wurden Reginald „Reggie” und Ronald „Ronnie” Kray 1933 in die Welt des Londoner West End geboren, wo man sich eher mit den Fäusten nach oben kämpfen konnte als mit Bildung. Die beiden wuchsen in dem übel beleumundeten Viertel bei den Docks überwiegend bei Mutter und Tante auf, da der Vater selten zu Hause war. Nachdem Reggie seinen „jüngeren” Bruder in einem Kampf beinahe tötete, nahm ihnen die Mutter das Versprechen ab, nie wieder gegeneinander zu kämpfen. An das Gelübde hielten sich die jähzornigen Brüder zwar nicht, selbst zu ihrer Glanzzeit kam es häufiger zu handgreiflichem Bruderzwist, dennoch waren sie fortan unzertrennlich. Bereits mit 16 standen die Kray-Brüder vor Gericht, wurden aber aus Mangel an Beweisen freigelassen. Später sollten sie ihre Ähnlichkeit öfter nutzen, um sich gegenseitig Alibis zu verschaffen. Mit 19 strebten sie eine Profikarriere als Boxer an und setzten ihre Schlagkraft auch zur Gründung einer Gang ein. Schon während des Wehrdienstes eckten die Krays bei Vorgesetzten heftig an. Die meiste Zeit verbrachten sie im Arrest oder auf der Flucht vor der Militärpolizei. Nach der unehrenhaften Entlassung von den Royal Fussiliers stiegen sie 1954 ins Unterweltgeschäft ein. Ein Billardclub wurde die Zentrale ihrer „Firma”, die sich zunächst auf Schutzgelderpressung bei Clubs spezialisierte und ihre „Geschäftstätigkeit” dann auf Entführung, Brandstiftung und Erpressung ausdehnte. Das Geschäft expandierte, neue Clubs wurden „übernommen”. Dazu gehörte der Spielclub „Esmeralda’s Barn”, in dem auch die High Society der englischen Metropole verkehrte. Die Krays knüpften beste Verbindungen zu Promis, Politikern und Vertretern des Adels. Genau diese Verbindungen waren es, die die Brüder in den 1960ern zu den Herrschern der Londoner Unterwelt machten. Und wenn die Protektion aus dem Oberhaus nicht reichte, dann wurden Zeugen massiv unter Druck gesetzt. 1964 berichtete das Boulevardblatt Sunday Mirror über eine sexuelle Affäre von Ronnie Kray und dem Tory-Politiker und Oberhausmitglied Lord Boothby. Weil aber auch ein Labour-Politiker in die frivolen Partys des schwulen Lords involviert war, wurde der Verlag unter Druck gesetzt und der Chefredakteur gefeuert. Mitte 1968 stürzte des Imperium aus Erpressung und Einschüchterung in sich zusammen: Die Kray-Brüder und 15 Mitglieder der „Firma” wurden verhaftet. Die beiden Bosse wurden zu lebenslanger Haft verurteilt. Ronnie Cray starb 1995 in einer psychiatrischen Klinik, Reggie wurde 2000 schwer krank aus dem Gefängnis entlassen und starb kurz darauf. Die Krays gelten als die einzigen Gangster Englands. In den 1960ern waren sie wegen ihrer Verbindungen zu Showgrößen wie Frank Sinatra als Clubbetreiber im Swinging London durchaus angesehen. Ihre kriminellen Machenschaften und ihre exzessive Brutalität rückten erst durch den Gerichtsprozess ins öffentliche Bewusstsein. „Legend” ist nach „Die Krays” von Peter Medak aus dem Jahr 1990 das zweite Biopic über die berüchtigten eineiigen Zwillinge. m/e/r/z veranstaltungs-service Do. 03.03.16 Essen, Grugahalle Fr. 20.05.16 Siegen, Siegerlandhalle Sa. 19.11.16 Oberhausen, Köpi-Arena STUDIOCANAL, SIMON MEIN Hardy eine verblüffende Andersartigkeit im Habitus entgegen, die die Charaktere auch physisch unverwechselbar macht. Weniger noch als Peter Medaks Biopic „Die Krays” erliegt Helgeland der Faszination des Duos. Der Amerikaner, der sich seit „L.A. Confidential” auf die Welt der Gangster und die Verbindungen der Unterwelt zur Oberwelt bestens versteht, nimmt den Titel des Films programmatisch: Hier wird keine Legende gepflegt, sondern zerlegt. Da ist der schwule Lebemann Ronnie, dessen versuchte Grandezza stets von Misanthropie und Impulsivität erstickt wird. Und der „normale” Reggie und sein Spießertraum von der Ehe mit der unbedarften Frances wirkt genauso tödlich wie der perverse Ronnie. Der Erfolg der Krays lag nicht an ihrem kriminellen Genie. Vielmehr war es eine Symbiose, für die das East End schon immer berüchtigt war. Dies war der „Walk on the wild side” der Oberschicht. In den Bordellen, Spelunken und Spielclubs suchten die Adligen die Zerstreuung, die im prüden Land legal nicht zu bekommen war. Und eins verband Gauner und Aristokraten: die Ansicht, dass die Gesetze für sie nicht galten. So ist „Legend” vor allem ein abgründiges Sittenbild des Swinging London. philipp koep ❚ (LEGEND) GB/F 2015, 131 Min., Regie u. Buch: Brian Helgeland, mit: Tom Hardy, Emily Browning, Taron Egerton, David Thewlis, Christopher Eccleston, Tara Fitzgerald, Paul Bettany, Paul Andersson; Start: 7.1. Do. 20.10.16 Gladbeck, M.-J.-Stadthalle Fr. 21.10.16 Gladbeck, M.-J.-Stadthalle Sa. 22.10.16 Werl, Stadthalle Fr. 26.02.16 Hagen, Stadthalle Do. 28.04.16 Gummersbach, Stadttheater Do. 12.05.16 Solingen, Konzerthaus Fr. 13.05.16 Castrop-Rauxel, Europahalle Sa. 14.05.16 Krefeld, Seidenweberhaus Fr. 03.06.16 Duisburg, T.a.M. Mi. 21.09.16 Essen, Lichtburg Mi. 05.10.16 Hagen, Stadthalle Fr. 28.10.16 Herne, Kulturzentrum Thimon von Berlepsch „DER MAGIER“ Di. 08.03.16 Oberhausen, Ebertbad Fr. 08.04.16 Dortmund, FHH Sa. 09.04.16 Velbert, Bürgerh. Langenberg Benjamin Tomkins „Der Puppenflüsterer“ Fr. 15.01.16 Witten, Werk°Stadt Do.21.04.16 Velbert, Bürgerh. Langenberg Johann König liest: „Kinder sind was Wunderbares“ Mi. 27.04.16 Ratingen, Stadttheater Herbert Knebel Solo „Im Liegen geht‘s!“ Fr. 02.12.2016 Wuppertal, Stadthalle 01.2016 | HEINZ | 53

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