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E-Paper Heinz-Magazin für Bochum 07/2017

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Summer ’67

Summer ’67 Psychedelische Plakate aus San Francisco Das Museum Folkwang zeigt gleich drei Ausstellungen zu Utopien der 1960er- und 70er-Jahre: Peggy Buth ergründet fotografisch den Einfluss von Wohnvierteln auf deren Bewohner. Arwed Messmer veröffentlicht unbekannte Fotodokumente rund um die RAF. Und die europaweit größte Hippieplakat-Ausstellung entführt in die bunte, bewegte „Love & Peace“-Ära an der Westküste der USA vor 50 Jahren. E inen Sommer lang stand San Francisco ganz unter dem Zeichen der Liebe – genau ein halbes Jahrhundert ist das her. Aus diesem Anlass versammelt das Deutsche Plakat-Museum im Folkwang 246 psychedelische Plakate aus dem legendären Summer of Love 1967. Die Originaldrucke von rund 50 Designern – kaum eines größer als DIN A3 und meist zu mehreren in einem Rahmen – entstammen der Kollektion des Hannoveraner Sammlerpaares Lutz Hieber und Gisela Theising. In drei Ausstellungsräumen (und einem Dunkelraum für sechs Spezialplakate mit 3D-Effekt unter Stroboskoplicht) vermitteln sie, ergänzt durch Fotos, Plattencover, Konzerttickets und Bildvorlagen, Einblicke in die visuelle Rebellion der Hippie-Zeit. Künstler hatten in kürzester Zeit, ab 1965 etwa, eine völlig neue Art der Plakatgestaltung entwickelt: poppig bunt mit Hang zu hellen Komplementärfarben, ein oft kleinteiliges Allover aus ineinander verschlungenen Bild- und Textelementen – alles wie in Bewegung, kongenial zum neuen Lebensgefühl. Als Bildvorlagen nutzten die Plakatmacher alles, was ihnen passend erschien: Fotos und Illus aus Büchern, Magazinen, Anzeigen, Verpackungen oder Gemälden, egal aus welcher Zeit. Ob Jugendstil, 1930er- Jahre-Grafik oder Indianerporträts – Motive wurden collagiert, verfremdet und mit ornamentaler Blockschrift umtextet. Die Schrift ist Bildelement, mit Blockbuchstaben, die, sich in alle Richtungen biegend, Figuren und Ornamente formen. Anders als im klassischen Plakatdesign à la Bauhaus muss die Message mühsam entziffert werden – für die Zielgruppe kein Problem! Die Plakate setzten schrille Farbakzente in den Straßen von San Francisco. 1967 war ihre Hochphase, 1969 bereits alles vorbei und die Ästhetik eine andere: Das konventionell gestaltete Woodstock-Festivalplakat beschließt die Ausstellung. Doch zurück zum Start der Hippie-Bewegung: dem Happening „Human Be-In“ am 14.1.1967 im Golden Gate Park. Durch Texttafeln lernt der Besucher, dass Hippies keineswegs Gammler waren, die nur abhingen. Sie engagierten sich: initiierten Benefiz-Konzerte für kostenlose medizinische Versorgung, unterstützten Gewerkschaften, Streiks und die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung. Vor dem Hintergrund schwerster Rassenunruhen in den USA und dem Krieg in Vietnam übten sie neue Formen des Zusammenlebens, leisteten friedlichen Widerstand gegen das Establishment mit Love, Peace, Drugs, legerem Dresscode – und exzessiver Musik. Plakate mit durchgeknallten Farben, Formen, Motiven für Konzerte von Jefferson Airplane, Grateful Dead, Doors, Jimi Hendrix, Janis Joplin u.a. waren im gesamten Stadtraum ihr Kommunikationsmedium. Die Ausstellung versachlicht diese turbulente Zeit, informiert und systematisiert in acht Themenbereichen die heute wertvollen Bildwerke – ein akademischer Ansatz, der zwar den ästhetischen Reiz der Plakate offenlegt, doch ohne das emotionale Lebensgefühl zu vermitteln, das dieses Design hervorbrachte. Claudia Heinrich ❚ SAN FRANCISCO 1967. Plakate im Summer of Love // PEGGY BUTH. Vom Nutzen der Angst // ARWED MESSMER. RAF – No Evidence/Kein Beweis Museum Folkwang, Museumsplatz 1, Essen; Dauer: bis 3.9., Di/ Mi/Sa/So 10-18 Uhr, Do/Fr 10-20 Uhr; www.museum-folkwang.de

« Velvet Underground, San Francisco, 1967, Sammlungen Lutz Hieber und Gisela Theising © Bob Schnepf 2017 (linke Seite oben) // Bonnie MacLean: Yardbirds, Doors, San Francisco, 1967, Sammlungen Lutz Hieber und Gisela Theising © Wolfgang’s Vault 2017 (linke Seiten unten) Arwed Messmer: Stammheim #12 1977/2016 Zelle 720 (Ensslin) © Arwed Messmer unter Verwendung eines Negativs des Staatsarchivs Ludwigsburg (oben) // Peggy Buth: Aus der Serie KINLOCH (MISSOURI, St. Louis County), 2015, Fotografien, ungerahmte Pigmentdrucke © Peggy Buth (unten) Peggy Buth und Arwed Messmer – Fotografie-Stipendiaten 2014 In sieben weiteren Ausstellungsräumen setzen zwei Fotografie-Stipendiaten der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung ihre Werke und Archivrecherchen anschaulich in Szene. Auch sie wenden den Blick zurück und erzählen Sozialgeschichte einmal anders, mit künstlerischen Mitteln: Peggy Buth dokumentiert abwechslungsreich mit Film und Fotografie in Pariser Banlieues mit Plattenbauten der 1960er-Jahre, auf dem verlassenen Martin-Luther-Boulevard in St. Louis, Missouri, und in Ruhrgebietsstädten, wie die Umgebung, ein Leben im sozialen Wohnungsbau in den Vorstädten, die Menschen prägt: Nordafrikaner in Frankreich, Afroamerikaner in den USA und arbeitslose Ruhris im Strukturwandel. Arwed Messmer geht auf Spurensuche durch Kriminalarchive und die Polizeihistorische Sammlung Berlin und fördert Fotodokumente im Zusammenhang mit der RAF (Roten Armee Fraktion) zutage, die man noch nie zu Gesicht bekam: Blicke in konspirative Wohnungen, Details aus den Stammheim-Zellen, die Beerdigung von Baader, Ensslin und Raspe 1977, nachgestellte Verhaftungen, den Mord an Benno Ohnesorg 1967, kostümierte Demonstranten gegen Staatsgewalt. Die Abzüge hat Messmer direkt an die Wand gepinnt sowie in offen ausgelegten Folianten veröffentlicht, die von Besuchern durchblättert werden dürfen. Geschichte, zum Greifen nah, neu erzählt, voyeuristisch, packend. Brenscheder Str. 35 44799 Bochum Brenscheder Str. 52 44799 Bochum Mo – Mi 8.30 – 18.00 Uhr Do – Fr 8.30 – 20.00 Uhr 0234-77041604 0234-33827810 Sa 8.00 – 13.00 Uhr www.edgars-friseurteam.com

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