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12-2018 HEINZ MAGAZIN Wuppertal, Solingen, Remscheid

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KINO | TIPP DES MONATS

KINO | TIPP DES MONATS Gras und Geister Andere Blickrichtung DenFilm „BirdsofPassage“ könnte man in eine Schublade mitetlichenanderengut gemachten Dramenüberden Aufstieg undFall einer Familie im Drogengeschäftstopfen.Täte man dies, würde dieSchubladeSekunden späteraufspringen und zerfallen, denn diese Geschichtehat weit aus mehr zu bieten, ist mitvielmehr aufgeladen, als die Lade verkraften kann. I mJahr 1968, während inden USA die Hippiebewegung aufblühtund aufder ganzen Welt protestiertwird, versucht der junge Rapayet, ein Ureinwohner Kolumbiens vom Stamm der Wayuu, das Geld für eine Mitgift aufzutreiben. Mehr per Zufall fällt ihmdie Idee vordie Füße,anein paar weißeAmerikaner Marihuana zu verkaufen. Folgend erzählt der Film „Birds of Passage“ vom Aufstieg seiner Familie durchdas Drogengeldüber ihre Korrumpierung durch Reichtum und Macht bis zum Zerfall all ihrer falschen Luftschlösser. Das kolumbianische Regie-Duo Cristina Gallego und Ciro Guerra, deren letzte gemeinsame Arbeit „Der Schamane und die Schlange“ ihnen eine Oscar-Nominierung in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ einbrachte, verflechtet hier wahre Ereignisse zu einer scharfsinnigen Erzählung. Dabei tauchen sie tief in die Kultur der Ureinwohner ein, zeigen die Rituale und die Mythologie des Stammes und die Strukturen, die ihr Wertesystem aufrecht erhalten. Stück für Stück, je größer Rapayets Wohlstand und Einfluss wird, zersetzt sich dieses Wertesystem und der Film illustriertdie Verrohung seiner Protagonistenund dieMachtverschiebungen inihren Konstellationen. Besonders ist dabei nicht nur die ständigeSpannung zwischen den sich auflösenden Stammestraditionen und der eindringenden Moderne, sondern auch die Art, wie der Film nie Gnade für seine Charaktere erbittet oder ihre Handlungen rechtfertigen will. Gleichzeitig wird aber auch nie soetwas wie Genugtuung herbeigerufen, wenn die unausweichlich folgenden Konsequenzen die Figuren einholen. Es wird nicht angeklagt, es wird nicht verteidigt, es wird nichtverurteilt, es wird nur gezeigt. „Birds of Passage“ ist teils ein Clan-Drama im Sinne bekannter Mafiageschichten, teils aber auch soetwas wie eine ethnologische Studie. Die Verbindung dieser bei- 52| HEINZ |12.2018

Spannung schenken! Kinogutscheine - Immer das Richtige, ganz ohne Risiko! Alle Fotos: Ciudad Lunar Blond Indian-Mateo Contreras Kino ist ein schönes Geschenk den Elemente ist es,die dem Film seine besondere Tiefe, aberaucheinespezielle Schärfe verleihen.Denndas Zerbrechender Stammestraditionen istnichtnur besonders schmerzlich mit anzusehen, weil sie von Anfang ansoklar und aufrecht definiert sind, sondern auch,weilder moderne Zuschauerspürt, welche Kräfte es sind,die da in diese alte Kultur eindringenund siezersetzen –und woherdiesekommen. Sicher:Gier,Übermut und Haltlosigkeit sindkeineErfindungendes modernenWestens,viel mehrsindesGifte,die offensichtlich jede Kultur befallen können, wie der Film verdeutlicht. Dass aber Rapayets Reise damit beginnt, arglosen Amerikanern Gras zuverticken, hat schon den adäquaten Beigeschmack. „Birds ofPassage“ verrät auf schmerzliche Art, welche tragischen Schicksale an die Drogen gebunden sind, die am Ende der Kette auf westlichen Tischen landen. Will man diese Idee weitertreiben: Wie der Kapitalismus bis in die entferntesten Kulturen vorrücktund sievergiftet. uci-kinowelt.de ·uci-kinowelt.at uci-kinowelt.de ·uci-kinowelt.at Guerra und Gallego gelingt ein eindringliches Drama, dass Zuschauer mit einem beklemmenden Gefühl aus dem Kinosaal entlässt. Ein Drama, das sich um Menschen und menschliches Handeln dreht, aber injedem Satz auch etwas über globalere Kontexte zu flüsternvermag. Lukas Vering ❚ BIRDS OF PASSAGE COL2018 R: Cristina Gallego, Ciro Guerra; D: JoséAcosta, CarminaMárquez, Jhon Narváez,Greider Meza; Start: 20.12. uci-shop.de 12.2018| HEINZ |53

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