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09-2017 WUPPERTAL HEINZ MAGAZIN

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HEINZ Magazin September 2017, Ausgabe für Wuppertal, Solingen, Remscheid

BÜHNE TIPP DES MONATS

BÜHNE TIPP DES MONATS Prosperos Insel Macht und Wirkung Mit einem leeren Raum und Shakespeare, so beginnt im Wuppertaler Schauspiel eine neue Ära unter der Intendanz des Schauspielers und Ensemblemitglieds Thomas Braus, der die Nachfolge von Susanne Abbrederis angetreten hat. Die Eröffnungspremiere zur neuen Spielzeit zeigt am 30.9. im Opernhaus einen Klassiker der Extraklasse. Marcus Lobbes inszeniert William Shakespeares Komödie „Der Sturm”. M it einem Shakespeare-Klassiker begann Marcus Lobbes’ Erfolgsserie vor sieben Jahren im Tal: „König Lear” – damals unter der Intendanz von Christian von Treskow. Nun holt Thomas Braus ihn für die Shakespeare-Komödie „Der Sturm” nach Wuppertal. Im Vorfeld der sechswöchigen Probenzeit sprach HEINZ mit Lobbes über zentrale Fragestellungen des Werks, den aktuellen Zeitbezug sowie Reiz und Herausforderung der Inszenierung. William Shakespeares Abschiedswerk vom Theater, das vor rund 400 Jahren entstandene Stück „Der Sturm”, hat bis heute nichts von seiner Aktualität verloren. „Die guten Stücke, die Klassiker, sind ja – und deshalb werden sie ja auch immer wieder gespielt – überzeitlich, haben aber Fragestellungen in sich, die uns genauso betreffen, nur mit einer anderen Sicht und anderen Erfahrungswerten”, sagt Lobbes. „Wie funktionieren Top-down-Machtverhältnisse? Was ist Kolonialismus? Wie geht man mit Macht und Wirkung um?” – diese Themen sieht er im Fokus. Erzählt wird die Geschichte des einstigen Herzogs von Mailand, Prospero (Stefan Walz), der seit zwölf Jahren mit seiner Tochter Miranda (Jonas Gruber) auf einer Insel lebt. Dort hält er sich den missgestalteten Eingeborenen Caliban (Thomas Braus) als Sklaven. Durch seine Autorität und Zaubermacht beherrscht Prospero den Luftgeist Ariel (Thomas Braus), mit dessen Hilfe er einen Sturm im Meer entfacht. Dabei stranden sein Bruder Antonio (Aaron Röll) – der unrechtmäßige Herzog von Mailand – und Alonso (Alexander Peiler) – der König von Neapel –, die ihn seinerzeit aus Italien vertrieben haben, mit ihrem Gefolge auf der Insel. Die Schicksale der Überlebenden des Schiffsunglücks und die der Inselbewohner kreuzen sich. Es beginnt ein Spiel von Macht und Ohnmacht. Schließlich verzeiht Prospero seinem Bruder und wird wieder zum rechtmäßigen Herzog Mailands. Miranda heiratet Ferdinand (Alexander Peiler). Lobbes will die Spieldauer der Komödie, die im Original dreieinhalb bis viereinhalb Stunden umfassen würde, auf zuschauerfreundliche zwei Stunden kürzen. Das ebenso reizvolle wie vielschichtige Stück fordert ihn in mehrfacher Hinsicht heraus. „Zum Glück heißt es nicht ,Prosperos Insel’, sondern ,Der Sturm’”, stellt er fest. Das sei sehr bemerkenswert, „weil ausschließlich in der Eingangsszene ein Sturm behandelt wird.” Und so sei es mit den Rollen auch. Deren Auftritte seien für einen so erfahrenen Autor wie Shakespeare auf den ersten Blick unorganisch verteilt. „Prospero ist eine der großen Herausforderungen des Stückes”, so Lobbes. „Er erzählt zu Beginn die Vorgeschichte in einem Riesenmonolog” und tauche dann erst eineinhalb Akte später wieder auf. „Wir spielen das Ensemblestück mit sechs Beteiligten. Bis auf Prospero übernehmen alle Darsteller zwei Rollen”, ergänzt er. Die Figuren – insbesondere Prospero und Caliban – haben ambivalente Züge. 60 | HEINZ | 09.2017

Marcus Lobbes Seit 1995 arbeitet Marcus Lobbes als Regisseur und Ausstatter im Musik- und Sprechtheater. Seine kompromisslosen Klassiker-Umsetzungen sorgen seit Jahren ebenso wie seine zahlreichen Ur- und Erstaufführungen in vielen renommierten, innovativen Theatern der Republik für volle Häuser und überregional für überragende Kritiken. Neuartige kollektive Arbeitsformen mit den Ensembles und sein enger Kontakt zu zeitgenössischen Autoren zeichnen seine künstlerische Handschrift aus. Wie sehr das zu gleichzeitigem Erfolg bei Publikum und Kritik führt, lassen zahlreiche Einladungen und Auszeichnungen erahnen: Unter anderem erhielt er 2014 den Hauptpreis für die beste Regie beim Theatertreffen Nordrhein-Westfalen mit der Wuppertaler Produktion von William Gaddis‘ „JR“. Dem Wuppertaler Publikum ist er des Weiteren durch seine Produktionen „König Lear“ (2010), „Baumeister Solness“ (2011), „Leonce und Lena“ (2013) sowie „Der Blitz“ (2012) bekannt. Zunehmend hält sein Ansatz auch in der Nachwuchs-Ausbildung Einzug: So wurde er in der jüngsten Zeit als Gastdozent und Redner an die Akademie der Künste in Ludwigsburg, das Salzburger Mozarteum, die Universität Rostock und an die Hochschule Mainz eingeladen. Die neue professionelle Grafik-Software ab Oktober im Kursangebot www.bergische-vhs.de Illustration: © Romain Trystram UWE SCHINKEL CHRISTIAN WEISS Der aus seinem eigenen Reich vertriebene Prospero schwingt sich auf der Insel zu einer Art Kolonialherrn auf. Caliban, der von Prospero herumkommandiert wird, versucht dessen Tochter Miranda zu vergewaltigen. Da ist die Frage nach dem Helden gar nicht so leicht zu beantworten. „Ich würde es so formulieren”, hebt Lobbes an, „wo ist eigentlich der Sympathieträger?” Und er ergänzt: „Alle sind bei Lichte betrachtet relativ unangenehme Zeitgenossen, die sich entweder um nichts scheren, andere für sich arbeiten lassen oder Intrigen per Mord und Totschlag anstreben. Es gibt kaum ein anderes Modell.” – Auch nicht für die einzige Frau? Lobbes: „Ja, das ist die Frage! Ist Miranda ein Produkt ihres Vaters? Oder wäre sie in der Lage, eigenständiger zu denken und zu handeln? Dass sie das nicht tut, ist von Autorenseite so gewollt. Miranda kommt nicht wirklich gut vor und sie kommt auch nicht gut weg bei Shakespeare. Sie ist mehr Projektionsfläche als handelnde Person. Auch ihr zukünftiger Mann Ferdinand, der auf die Insel kommt, hat ein ähnliches Problem. Auch er ist keine handelnde Person, sondern er reagiert ausschließlich. Jonas Gruber (auch als Gonzalo zu sehen) leiht Miranda dankenswerterweise seine Stimme. Ich darf aber noch nicht alles verraten.” Dagmar Tigges ❚ DER STURM Opernhaus, Kurt-Drees-Str. 4, 42283 Wuppertal, Tel. (0202) 5637666; Termin: 30.9., 19.30 Uhr (Premiere); Preis: ab 29/14,50 € (norm./erm.), 8 € (Schüler); www.kulturkarte-wuppertal.de 09.2017 | HEINZ | 61

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