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08-2018 ESSEN HEINZ MAGAZIN

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HEINZ Magazin August 2018, Ausgabe für Essen

KUNST|TIPP DES MONATS

KUNST|TIPP DES MONATS Panoptikum grotesque 56| HEINZ |08.2018

RolandToporsmakabereBildwelt Miteiner Werkschau in fünf Ausstellungsräumen ehrtdas MuseumFolkwang dengroßen französischenKarikaturisten, Illustratorund Autor, derauchfür Film, Fernsehen und Theaterarbeitete. Roland Topor (1938–1997)war einAusnahmekünstler mit überbordender kreativer Energie. Rund 210 Werkeerinnern in Essenanden leidenschaftlichenBildgeschichtenerzähler,der 2018 seinen 80. Geburtstag gefeierthätte. Roland Topor -Marteau pilon poil au menton, 1972, Fallhammer –Haare am Kinn, Lithografie, 42 x31,3 cm, Galerie KK Klaus Kiefer, Essen, ©VGBild-Kunst, Bonn 2018 S oharmlos kommen sie einher, die kleinformatigen Grafiken reihum an den Wänden. Doch Vorsicht: Intensives Betrachten kann Schock-Alarm auslösen! Oder befreites Lachen. Oder beides. Roland Topors groteske Bildwelten sind bissig, surreal versponnen, fantastisch übertrieben, manchmal herzergreifend komisch, aber oftauchdrastisch,schmutzig,blutig,lustvoll ekelig und definitiv nichts für Kinder.Die Figuren und Dinge aufseinen Bildern tun nicht das, was man von ihnen erwartet. Gliedmaßen mutieren, entfernen sich vom Körper und führenein Eigenleben, Haustiere entdecken Gelüste, Mensch und Tier winden sich umeinander, Riesenschnecken walzen ganze Straßenzüge platt. ImSchamhaar grinst ein Teufelchen. Und vor entsetzten Zahn- Reiterntut sich ein Abgrundauf. FürAbgründiges hatteTopor ein Faible. Als scharfer wie schalkhafter Beobachter der menschlichen Unzulänglichkeiten, speziell des Verhältnisses zwischen den Geschlechtern, nutzte erseinen Zeichenstift wie ein Skalpell, das unter die Haut geht, den Blickins Innere öffnetund Ängste, Triebe, Obsessionen und verborgeneWünsche freilegt.Aber aucheine melancholische Note schwingt mit, zum Beispiel in dem Blatt „Der Auswanderer“, dessen Habseligkeiten aus dem Koffer flüchten, Richtung Heimat. Auch sein Blick geht zurück, sein Kopf löst sich vom Körper. 1938 als Sohn jüdischer Einwandereraus Warschau in Parisgeboren, musste Topor imKrieg aufs Land in eine Pflegefamilie fliehen und seine Eltern und Herkunft verleugnen. Früh begann der begabte Roland, sein Misstrauen gegen Mensch und Welt künstlerisch immer wieder neu zubewältigen, studierte ab 1955 Druckgrafik an der Pariser École des Beaux-Arts und veröffentlichte bereits als 20-Jähriger erste Zeichnungen in renommierten französischen Kunst- und Satiremagazinen. Die Ausstellung „Panoptikum“ zeichnet punktuell Topors Roland Topor, Sur les dents, 1971- Auf den Zähnen, Tuschfederund Farbstift, 31 x21cm, Sammlung Jakob und Philipp Keel ©VGBild-Kunst, Bonn 2018 Ausstellungsansicht Roland Topor „Panoptikum“ imMuseum Folkwang, Essen ©VGBild-Kunst, Bonn 2018 künstlerischen Werdegangnach: vonfrühenkleinformatigen Tuschzeichnungen und Illustrationen für literarische Texte inden 50/60er Jahren über farbige Zeichnungen, für die er Tusche und Feder mit Farbstift und Aquarell kombiniert, detailverliebte Lithografien und flächige Linolschnitte bis hin zuprovokanten Plakaten für Filme, Opern, Ausstellungen und Theaterstücke (aus der Sammlung des Deutschen Plakat Museums imFolkwang). Allein für die Münchner Kammerspiele entwarf Topor ab 1990 zu jeder Produktion ein Schaubild–und zusätzlich eines,um die Spielzeitpause im Sommer humorvoll zu überbrücken. Sein Plakat für den japanischen Erotikfilm „Im Reich der Leidenschaft“ wurde zum besten Filmplakat 1978 gekürt. Sein Bildmotiv „Fallhammer“, 1972,nutzte Amnesty International 1977 im Rahmen einer Kampagne für Meinungsfreiheit. Und auch für das Essener Aalto-Theater kreierte Topor 1990 ein freches Plakat, anlässlich seiner Arbeit als Szenen- und Kostümbildner für Mozarts „Zauberflöte“. Fünf Originalkostüme fanden sich noch im Aalto-Fundus, darunter die Papagena „oben ohne“ und Papageno mit Vogelkäfig in Menschengestalt huckepack–echteHingucker. Der letzte Ausstellungsbereich stellt Topors filmische Tätigkeiten vor. Für die Science-Fiction-Animation „La Planète sauvage“ übersetzte er die Roman- in Zeichentrickfiguren. Für Fellinis „Casanova“ zeichnete er Erotika. Ausschnitte sind imFilmraum zu sehen, ToporsKurzfilm„LesEscargots“ in voller Länge: „Die Schnecken“ verleiben sich zunächst den Salat des Gärtners ein, danach die ganze Stadt samt Bewohnern. Als sie sich und die Liebe entdecken, sterben sie. Eine neue Stadt wird gebaut und der Gärtner zieht jetzt Möhren. Doch neue Gefahren lauern …Ende schlecht, alles gut –und ganz in Topors Sinne. Claudia Heinrich ❚ ROLAND TOPOR: Panoptikum Museum Folkwang, Museumsplatz1,Essen;Dauer: bis 30.9.; Öffnungszeiten: Di/Mi/Sa/So10-18 Uhr, Do/Fr10-20 Uhr; Preis: Eintrittfrei; www.museum-folkwang.de 08.2018| HEINZ |57

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