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03_2020 HEINZ Magazin Duisburg, Oberhausen, Mülheim

KULTURKOPF|INTERVIEW Ein

KULTURKOPF|INTERVIEW Ein Märchen für Große

Autorin im Gespräch AlsalleinerziehendeMutter fand SusanneBohne keineStelle in ihremalten Berufals Mediengestalterin. Also fing dieDortmunderin an, zu bloggenund LerngeschichtenimSelbstverlag zu publizieren. „Das schräge Haus“ ist ihr erster Roman, er erschien beiRowohlt.ImGesprächmit LinaNiermann erzählt sie, warumihreGeschichteineinem Schrebergartenspielt, wieviel sie mitihrer Protagonistin gemein hatund wassie sichals Alleinerziehendevon Politikund Gesellschaftwünscht. Susanne Bohne, ist das ein Pseudonym? Nein, das istmeinrichtiger Name.Aber nachdemHeinzStrunk 2009 in dem Roman „Fleckenteufel“ zufälligerweise seine Protagonistin auch Susanne Bohne getauft hat, habe ich öfteranzüglicheFanpost bekommen.Das warschon lustig. Geborgenheit aus. Im Roman verwende ich ja auch den Begriff der „Käseglocke“. Der Schrebergarten ist ein Ort, an dem sich Ella total geschützt fühlen kann. Außerdem sieht man von dort aus keine Industrie. Es gibt hier viel Grün, die Amsel zwitschert –Der Schrebergartendientals Kontrastzum Grau undSchmutz derStadt. Susanne Bohne ©Susanne Bohne; Cover ©Rowohlt Verlag Wie bist du zum Schreiben gekommen? Geschrieben habe ich schonimmer.Ich binjemand, der relativ gut beobachten kann, glaube ich. Ich bin kein extrovertierter Mensch, niemand, der gerne vor Leuten spricht.Das warbereits in derSchule so.Referatewaren ganz schrecklich für mich. Deshalb habe ich immer lieber geschrieben. Ich denke, esist einfach mein Charakter, micheherimSchriftlichen auszudrücken. Warum hast du dichjetzt entschieden,einen Romanzuverfassen? Die Idee für die im Ruhrpott angesiedelte Geschichte hatte ich schonganzlange.Der Zuspruchvon anderen,den ich über meinen Blog und über Social Media bekommen habe, hat mir den Schubs gegeben zusagen: Gut, jetzt setzt dudich hin und schreibst das Ding! Ella, die Hauptfigur deines Romans, ist ein fantasievolles, eher zögerlichesMädchen,das oftdas Gefühl hat, nichtindiese Welt zu passen.Wie vielEllastecktindir? Ella und ich stehen uns sehr nah. Ich weiß, wie es ist, sich ein bisschen schräg zu fühlen. Genauso kenne ichdas Gefühl,dassdie Welt manchmal zugroß und zu kompliziert für einen ist. Ich habe selbst sehr langegebraucht,ummeinen Platz im Leben zu finden undviel ausprobiert. Ichhätte zum Beispiel niegedacht, dassich dasSchreiben zum Beruf machen könnte. Und auch jetzt traue ich mich noch nichtsorichtig,michSchriftstellerinzunennen. Deine Geschichte enthält viele märchenhafteElemente. DieSeelen deiner Figuren ähneln zum Beispiel Häusern, die schräge Giebel, Fensterläden aus Mimosenblätternoder einenapfelrotenAnstrich haben.Wie kamstdu auf diese Idee? Ich wollte ein Wohlfühlbuch schreiben, eine Art Märchen für Große. So etwas gibt esheute kaum noch und ich finde, das fehlt ein bisschen. Wie ich auf das Bild gekommen bin? Das ist mir einfach so eingefallen. Ichfandespassend,dassSeelenwie Häusersind, die den eigenen Gemütszustand widerspiegeln und die man sich so einrichtet, wieman es gernehat. 1986,imSchrebergartenvon Ellas Oma, istdie Welt noch in Ordnung. Da werden Frikadellen gebraten,Feste gefeiert und jegliche Marotten der Pächter akzeptiert. Warum hast du den Kleingarten als zentralen Schauplatz gewählt? Gartenfeste sind eine Kindheitserinnerung von mir. Eine solcheSzene drücktfür mich gut dasGefühl von „Der Schrebergartendient als Kontrast zum Grau und Schmutz der Stadt.“ Wasverbindestduselbstmit Schrebergärten? In meiner Familie gab es jemanden mit einem eigenen Schrebergarten, aber ich habe dort nicht so viel Zeit verbrachtwie Ella.Wennman hier in derUmgebungallerdings spazieren geht, kommt man zwangsläufig irgendwann aneiner Schrebergartensiedlung vorbei. Da werden dann die Karotten aus dem Beet gezogen und die Stachelbeeren gepflückt. Das macht für mich den Pott ein Stückweitaus. Explizitschreibstduesnicht, dennoch deutet vielesdaraufhin,dassdein RomaninDortmund spielt.Wieso hast du dichfür diese Stadt als Handlungsortentschieden? Na ja, Dortmund ist meine Heimatstadt, hier bin ich aufgewachsen. Mir fällt es leichter,Dinge zu beschreiben,die ichvor meinem inneren Auge sehe und aus meiner Erinnerung kenne als etwas völlig Unbekanntes. Womitkämpfst du als alleinerziehendeMutter? Die größte Herausforderung ist, dass man wirklich 24/7 im Einsatz ist. Du musst dich um alles selbst kümmern und hast die volle Verantwortung Zeit zum Durchschnaufen bleibt kaum. Ich bin ja nicht nur Mama, sondern auch Frau und würde gerne mal weggehen oder insKino, aber das istmeistens nichtdrin. Welche gesellschaftlichen oderpolitischenVeränderungenwürdest du dir wünschen? Ich würde mir mehr Halbtagsstellen für Mütter wünschen, egal ob alleinerziehendoder nicht, und einebessere und günstigere Kinderbetreuung.Inmeinem Job als Mediengestalterin wäre halbtagszum Beispiel gar nicht gegangen. Da arbeitet man meist in Werbeagenturen und muss Deadlines einhalten. Da kannst du nicht nach vier Stunden aufstehen, deine Sachen packen und gehen. Bei der Arbeitssuche habe ich viele negative Erfahrungen gemacht. Die Chance, dass dich überhaupt jemand einstellt, wenn er weiß, dass dua)Mutter und b) alleinerziehend bist, ist echt gering. Und wenn man dann irgendwann beim Jobcenter landet, dann ist man ineiner Mühle drin, aus der man wirklich nur schwer wieder herauskommt. ❚ SUSANNE BOHNE:Das schräge Haus Rowohlt,VÖ17.12.2019, 352 Seiten,15€; Nächster Termin: 11.5.,19.30 Uhr, Stadt- undLandesbibliothek,Max-von-der-Grün-Platz 1-3, Dortmund Homepage: www.halloliebewolke.com 03.2020| HEINZ |45

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