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KUNST | TIPP DES MONATS

KUNST | TIPP DES MONATS 48| HEINZ | 12.2019

Kunst als Staatsfeind Künstler im Fadenkreuz derGeheimdienste DerHMKVimDortmunder U widmet sichmit „Artists &Agents“ der Interaktion zwischen Geheimdiensten und Performancekunst.Die Ausstellung ist dasErgebnis umfangreicher Recherchen in denGeheimdienstarchiven derehemaligen Ostblock-Länder. Ministerium für Staatssicherheit (MfS), DDR /IMB „Konrad“, „Fangfotos“, 1984, Courtesy: Gabriele Stötzer ©Gabriele Stötzer/VG Bild-Kunst, Bonn 2019 Der Fotografin Gabriele Stötzer wurde 1984 ein Transvestit zugespielt, der zugleich IM(Inoffizieller Mitarbeiter) der DDR-Staatssicherheit war. Er/Sie hatte den Auftrag, eine Fotoperformance in Richtung Pornografie zuradikalisieren, wodurch ein Anklagepunkt gegen die Künstlerin möglich werden sollte. Der Plan ging nicht auf. Ähnliches passierte dem Berliner Fotograf Kurt Buchwald,der erst in den 1990er-Jahren entdeckte, dass ihm zehn Jahre zuvor eine Aktion ‚untergeschoben‘ worden war, die erst spät von der Stasi „pseudoforensisch“ dokumentiert wurde. Weiteres Beispiel: Die Gruppe Clara Mosh traf sich im Oktober 1980 zum Mehl-Art-Happening: im Bewusstsein von der Stasi beobachtet zuwerden –und die Stasi wusste, wie aus den Akten hervorgeht, dass sie es wussten. 1993 dankt Corniela Schleime der Staatssicherheit der DDR und den zahlreichen Helfern für die Arbeit „Bis auf weitere gute Zusammenarbeit,Nr. 7284/85“.Die Künstlerinwurde bespitzelt und setzedie festgehaltenen Beschuldigungsnarrative wie „asoziale Lebensweise“ in frivolen Selbstporträtsum, diesie auf die Aktenblätter klebte. Die Ausstellung „Artists & Agents“ widmet sich mit diesen und zahlreichen anderen Arbeiten und Archivmaterialien der schwerwiegenden Unterwanderung der Kunstszene durch Geheimdienste in der DDR und weiteren ehemaligen Ostblock-Ländern. Dabei liegt der Fokus auf dem Umgang mit Performancekunst, die von den Geheimdiensten besonders gefürchtet wurde. Zu den Gründen sagt Ko-Kuratorin Sylvia Sasse: „Performancekunst galt deshalb als so gefährlich, weil die Geheimpolizei sie überhaupt nicht einordnen konnte. Sie produziert ja keine ‚Bilder‘ oder ‚Skulpturen‘. Sie konnte überall und jederzeit auftauchen – und wieder verschwinden.“ Unzählige Akten wurden so zwischen 1960 und 1990 angelegt, die von dem operativen Eingreifen des Staates indie künstlerische Produktion zeugen. Mit dem Ziel, Künstler und Gruppen zu zersetzen und zu liquideren –also aus der Cornelia Schleime, „Bis auf weitere gute Zusammenarbeit, Nr.7284/85“, 1993 ©Cornelia Schleime. Kunstgeschichte herauszuschreiben – wurden Kunstaktionen verhindert, Künstler kriminalisiert oder als Staatsfeinde inszeniert. Jedoch sind diese Akten auch eine Quelle für kaum bekannte künstlerische Tätigkeiten und stehen für einen Versuch, eigentlich flüchtige Performancekunst zu dokumentieren. Material, das mit besonderer Vorsicht ausgewertet wurde. „Wir dürfen niemals, egal was es ist, den scheinbaren ‚Fakten‘ in den Akten glauben“, betont Ko-Kuratorin Kata Krasznahorkai. Das wird an der Arbeit „Minimal Secret Condor Operation“ von Voluspa Jarpa deutlich. Sie setzte sich anhand von unleserlichen CIA-Dokumenten mit Leerstellen, Unlesbarkeit und der instabilen Grenze zwischen Fakt undFiktion auseinander. Nichtnur in Ost-Europa Zu dem Fokus auf ehemalige Ostblock-Staaten sagt Inke Arns, Kuratorin der Ausstellung und Künstlerische Leiterin des HMKV: „Diese Staaten existieren seit 1990 nicht mehr. Es gibt also niemanden, der den Zugang zu diesen Archiven heute noch ‚bewachen‘ würde.“ Das bedeutet jedoch nicht, dass Strategien der Überwachung, Unterwanderung und Zerschlagung nur auf Ost- Europa und auf ‚damals‘ zutreffen. Deutlich wird das in der Ausstellung beispielhaft an einer Akte der Schweizer Polizei, die 1917 Erhebungen zu den „bolschewistischen Umtrieben der Dadaistengruppe in Zürich“ machte. Simon Menner nimmt mit der Serie „Die 14 unbedeutendsten Bilder aus der Geschichte des BND“ Bezug auf das Ungleichgewicht inder Aufarbeitung der Geschichte der Geheimdienste inOst und West. Wie aktuell das Thema ist, zeigte sich auch am Beispiel von Jill Magid, die 2005 vom niederländischen Geheimdienst für die Produktion einer Kunst-am-Bau Arbeit beauftragt wurde und während der Recherchen und Realisation selbst zu einer Art Agentin gemacht wurde. StefanieRoenneke ❚ ARTISTS&AGENTS -Performancekunst undGeheimdienste HMKVim Dortmunder U, Ebene3,Dortmund; Dauer: bis 22.3. 12.2020| HEINZ |49

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