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HEINZ Magazin Essen 12-2016

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HEINZ Magazin Dezember 2016, Ausgabe für Essen

KONZERTE TIPP DES MONATS

KONZERTE TIPP DES MONATS HipHop im Hörsaal Musikkultur im Bergischen Land Wie klingen Rap und Jazz, wenn sie von Meistern ihres Fachs auf der Bühne kombiniert werden? Und was passiert bei einer HipHop-Vorlesung an der Universität? Antworten liefert am 9.12. die „HipHop Academy Wuppertal“, die nicht nur auf kreative Weise Theorie und Praxis verbindet, sondern mit dem Szenestar Samy Deluxe auch einen hervorragenden Dozenten ins Bergische holt. D ie Großen der Szene waren bereits da: Roger Manglus (alias Roger) und Florian Schuster (alias Kung Schu) von den Münchner Wortakrobaten Blumentopf etwa. Oder die Produzenten von Public Enemy aus New York, einer der weltweit einflussreichsten Rap-Formationen überhaupt. Und mit Samy Deluxe schaut im Dezember einer der kommerziell erfolgreichsten Deutsch-Rapper zum bereits zweiten Mal vorbei. Das umtriebige Projekt „HipHop Academy Wuppertal“ ging im Jahr 2008 an den Start und vereint seitdem an der Bergischen Universität erfolgreich die HipHop-Szene mit Musikwissenschaft und schulischem Know-how. „In erster Linie geht es uns darum, unsere Studierenden, meist angehende Lehrer, mit praxisrelevanten Inhalten zu versorgen“, verdeutlicht Dr. Oliver Kautny, Musikwissenschaftler in Wuppertal und Organisator der „Academy“. Gleichzeitig macht er keinen Hehl daraus, dass eingangs genannte Künstler eben nicht alle paar Monate in der Region auftreten würden: „Wir möchten natürlich auch die Musikkultur im Bergischen Land fördern.“ Die Verquickung von Szene, Wissenschaft und Pädagogik darf in dieser Form daher als einzigartig bezeichnet werden. Die Vorstellung ist schon äußerst spannend: Battle-Rap mit Samy Deluxe im Hörsaal? Wie genau sich der Besuch des Hamburgers am 9.12. auf dem Campus gestalten wird, bleibt dem Künstler selbst überlassen. Neben einem öffentlichen Gastvortrag über seine Musik dürfen sich allerdings auch drei ausgewählte HipHop-Newcomer darauf freuen, anschließend Feedback für ihr Schaffen zu erhalten. Und dass man bei Rap- Dozenten keine trockene Vorlesung zu befürchten hat, sollte ohnehin klar sein. Das bestätigt auch Dr. Kautny mit einem Blick zurück: „Blumentopf haben vor zwei Jahren die ,HipHop Academy‘ als Plattform genutzt, um erstmals überhaupt einen Universitätsvortrag zu halten. Auf eine sehr amüsante und gleichzeitig informative Art und Weise wurde da die über zwanzigjährige Bandgeschichte bebildert.“ Dennoch funktionieren Lyrics und Flow nicht ohne Akribie und Zutun der jeweiligen Künstler. So traten in Wuppertal auch schon DJs und Produzenten vor die Studenten, die mit großer wissenschaftlicher Ernsthaftigkeit den Entstehungsprozess ihrer Beats erläutert haben. Dass HipHop-Klänge und vor allem -Texte hierzulande überhaupt salonfähig wurden, fußt auf ersten, im Oldschool-Bereich migrantisch-geprägten Gehversuchen zu Beginn der 1980er-Jahre. Kommerziell erfolgreich waren zehn Jahre später die Fantastischen Vier („Die Da!?!“), als Rap mehr und mehr auch Pop-Einflüsse erhielt. Ein Meilenstein bis heute, das unterstreicht auch Wissenschaftler Kautny, war 1998 das Album „Bambule“ der mittlerweile zurückgekehrten Beginner aus Hamburg. Mit der Jahrtausendwende erhielt das Genre erneut einen kreativen Schub dank starker Entwicklung der künstlerischen Technik: Rapper wie Kool Savas oder Samy Deluxe nutzten moderne Produktionsstandards bei den Beats, die auch für einen neuen Rhythmus sorgten. Und wie steht es um den manchmal recht platten Gangsterrap? „Der erhielt durch Künstler wie Casper oder Marteria ein sehr krea- 22 | HEINZ | 12.2016

SAMY DELUXE © UNIVERSAL MUSIC tives Gegengewicht, da sie die Grenze dessen, was wir als Rap definieren, in Richtung Emo- und Indierock-Sounds erweitert haben“, schlägt der Wissenschaftler den Bogen in die Jetztzeit. Wenn HipHop-Forschung, -Lehre und -Praxis in den Fokus gerückt werden, dann darf eine Analyse der in diesem Falle deutschen Sprache nicht fehlen. Gilt diese nicht gerade im Musikkontext oftmals als sperrig? Reicht sie überhaupt an den Flow des amerikanischen Raps heran? Hinsichtlich der Sprachmetrik macht Dr. Oliver Kautny zwischen Deutsch und Englisch durchaus ein Verwandtschaftsverhältnis aus – der harte Klang und die Vielsilbigkeit deutscher Wörter allerdings seien nicht zu verleugnen. Eine ganz andere Problematik war jedoch in der Vergangenheit zu beobachten: „Das Potential des Stimmklangs war ein ganz anderes als etwa im US-Rap oder in Frankreich. Künstler wie Samy Deluxe, Curse oder Marteria mit seiner ultratiefen Stimme bilden da mittlerweile eine erfreuliche Ausnahme.“ Auch war in den deutschen Studios lange Zeit nicht das Geld vorhanden, um auf dem Level der großen US-Vorbilder zu produzieren – heute sind diese Abstände längst nicht mehr so beträchtlich. Überhaupt: Warum immer über den großen Teich schauen? Hierzulande lauern ganz eigene Stärken im HipHop, ein spezieller Humor, eine beeindruckende Kreativität. Das trifft ohne Frage auf den diesjährigen „Academy“-Gast zu, zieht Samy Deluxe seine Skills doch auch aus der eigenen Biografie. Der in Hamburg geborene Rapper wuchs ohne Vater auf, rebellierte in der Schule und fand letztlich im Sprechgesang sein Ventil. Nichts anderes erzählt die Ursprungsgeschichte, die Kultur dieser Musik: Entstanden in sozial-prekären Verhältnissen, gab sie denjenigen eine Stimme, die zuvor keine besaßen. Rap trägt das Potential eines gewissen Aufbegehrens in sich; die Attraktivität liegt hier in der Erzählung der Underdogs. In Wuppertal setzen die Organisatoren noch einen drauf –„Rap goes Jazz“ kombiniert zwei unterschiedliche Spielarten, die dennoch Parallelen aufweisen. „Geschichtlich betrachtet besitzen beide die gleichen Wurzeln“, so Dr. Oliver Kautny, „ganz ursprünglich sind sie aus dem Gospel und Blues hervorgetreten. Dieser gemeinsame Stammbaum hat sich später zwar unterschiedlich verästelt; im New York-Rap der Neunzigerjahre wurde Jazz jedoch sehr gerne gesamplet.“ Auch im Groove eines Samy Deluxes macht der Musikwissenschaftler durchaus Gestaltungsmerkmale aus, die z.B. im Solostück eines Jazztrompeters zu finden sind. Kein Wunder also, dass es unter Jazzern vielfach hohe Anerkennung für die Rap-Kollegen gibt, arbeiten doch beide Sparten auf hohem rhythmischen Niveau. Das wird auch am 9.12. im Wuppertaler KLUB zu hören sein, wenn drei Meister-Rapper um Samy Deluxe auf ein Jazz-Trio treffen, das von Thomas Rückert, Dozent an der Bergischen Universität und Solist in WDR-Bigband-Konzerten, angeführt wird. Die Vorgabe des experimentellen Abends: Improvisation. Neben losen Vereinbarungen über bestimmte Beat-Gerüste und -patterns entsteht das Konzert komplett aus dem Moment heraus. Eine bessere Möglichkeit dürfte es kaum geben, hautnah zu erleben, welchen beachtlichen Weg deutschsprachiger HipHop bis heute zurückgelegt hat. Robert Targan ❚ Konzert mit Samy Deluxe KLUB, Gathe 50, Wuppertal; Termin: 9.12., 20 Uhr; Preis: 29 € (Konzert), 7 € (Afterparty); www.klubwuppertal.de; Verlosung: 1 x 2 Karten unter www.heinz-magazin.de Das ganze Rap-Paket Neben dem Konzert hält die „HipHop Academy Wuppertal“ am 9.12. weitere Highlights bereit: Von 14-16 Uhr hält Samy Deluxe im Musiksaal auf dem Campus Grifflenberg (Gebäude M, Ebene 09) einen öffentlichen Vortrag über seine Musik. Danach kommt es zum Meet’n’Teach: Der Hamburger Rapper trifft drei ausgewählte HipHop-Newcomer und gibt ihnen ein wertvolles Feedback. Zu den Themen Jazz, Beat-Boxing und Rap bieten Dozenten der Academy einen Workshop an (10-13 Uhr). www.facebook.com/hiphop academywuppertal/ PRIVAT Hat die „HipHop Academy Wuppertal“ 2008 ins Leben gerufen: Dr. Oliver Kautny, Musikpädagoge an der Bergischen Universität 11.02.2017 DÜSSELDORF Mitsubishi Electric Halle Tourneeleitung: target Concerts GmbH Karten an allen bek. VVK-Stellen | Ticket-Hotline 0211/ 27 4000 Infos: www.concertteam.de

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