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HEINZ MAGAZIN ESSEN 02-2017

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HEINZ Magazin Februar 2017, Ausgabe für Essen

KONZERTE TIPP DES MONATS

KONZERTE TIPP DES MONATS Beständiger Wandel Alternative-Country „Lambchop is a band“, ist auf der Facebook-Seite eben jener Formation zu lesen. Dabei handelt es sich bei den US-Musikern eher um ein loses Konstrukt, das durch die einfache Genialität ihres Chefs Kurt Wagner zusammengehalten wird. Davon kann man sich jetzt live im Sektor überzeugen lassen. Lambchop versprechen vertraute, wohlige Momente im Dortmunder Konzerthaus und im Kölner Gloria. B ei wenigen Musikern wird in Interviews, Porträts oder auch im Rahmen einer Plattenbesprechung so verlässlich auf den einst erlernten Beruf hingewiesen wie bei Kurt Wagner. Das 1958 in Nashville geborene Lambchop-Mastermind übte bis 1999 seinen Job als Holzbodenleger aus. Das klingt äußerst ursprünglich, rustikal und fast ein bisschen einförmig. Und doch findet man durchaus Parallelen zum Werk seiner 1993 gegründeten Alternative-Country-Band – die Einförmigkeit mal umgehend ausgeschlossen. Denn Wagner ist ein Bastler, ein Puzzle-Freak und Sound-Tüftler, der es kaum ertragen würde, sich in seinem kreativen Schaffen zu wiederholen. Ob nun also ein perfekt verlegtes Fundament oder eine neue Platte: Am Ende stehen das fertige Produkt und die Gewissheit, etwas Eigenes geschaffen zu haben. Wer sich in die bislang elf erschienenen Alben Lambchops („Lammkotelett“) einhört, stellt fest, dass zwar stets ein konstantes Klanggerüst vorhanden ist, drum herum aber immer etwas Neues, Innovatives hochgezogen wird. Daher darf die bereits erwähnte „Alternative-Country“-Schublade durchaus aufgezogen werden; längst fliegen darin aber auch Disco-, Soul- und Electro-Elemente wild umher. Ähnlich unübersichtlich gestaltet sich die Bühnenbesetzung, die Kurt Wagner für Live-Konzerte zusammentrommelt: Weniger eine Band als ein Kollektiv tummelt sich da hinter den Instrumenten. Der „feste“ Kern von rund acht Musikern wird stets ergänzt durch bis zu zehn weitere – „je nachdem, was gerade in ihrem Leben los ist oder was benötigt wird“, witzelt Wagner gerne in Interviews. Schon allein aufgrund dieser Tatsache ist gewiss, dass kein Konzert dem anderen gleicht. So locker der Stimmgeber mit seiner Personalplanung hantiert, so entspannt auch der Umgang mit Kritik. Die USA seien nun mal riesig, daher kein Wunder, dass man in der Heimat gar nicht so populär sei wie etwa 24 | HEINZ | 02.2017

BoSy Fokus 2 Fabulous Fifties © ALAIN BIBL in Deutschland. Und tatsächlich: Lambchop-Besprechungen fallen hierzulande meist positiv bis begeistert aus, das Feuilleton vergibt Titel à la „beste Rockplatte aller Zeiten“ („Is A Woman“) und die Konzerte sind immer ausverkauft. Woran das liegen mag, ist schwer zu beantworten – böse Zungen behaupten, Lambchop würden amerikanische Musik in einer europagerechten Verpackung über den Teich schicken. Solcherlei Sticheleien entlocken Kurt Wagner maximal ein müdes Lächeln: unter seiner obligatorischen Trucker-Kappe behält der Musiker stets einen kühlen Kopf. Denn es ist ja schon die markant-rauchige Stimme des Sängers, die den Rezipienten aufhorchen lässt, dieses leise Erzählen kleiner Geschichten, die viel Platz für Interpretationen lassen. Klar, da schwingt auch immer die Heimat Nashville mit – Hauptstadt Tennessees und der kommerziellen Country-Musik – doch vielmehr ist es eben diese entspannte Grundatmosphäre der Songs, die besonders auf dem 2012er- Album „Mr. M“ für knisternde Wohligkeit sorgte. Ende des vergangenen Jahres erschien der nächste große Wurf: Auch auf „Flotus“ funktioniert Wagners Stimme als eigenständiges Instrument. Dieses Mal aber zerfällt sie in mehrere Einzelteile, wird dekonstruiert, verzerrt und wieder neu zusammengesetzt. Neben dieser Spielerei mit Filtern und Samples ist auch die Spieldauer mancher Stücke imposant. Der Opener „In Care Of 8675309“ tröpfelt 12 Minuten aus den Boxen; das Gegenstück „The Hustle“ am Schluss gar über 18 Minuten. Und schon kommt die Fachpresse mit Genre-Neuschöpfungen wie „Country-HipHop“, „Folktronica“ oder „Electronic White Soul“ um die Ecke. Auch will manch einer im neuen Album ein politisches Werk erkennen, lässt sich der Titel „Flotus“ doch als Abkürzung für „First Lady of the United States“ aufdröseln. Dass Kurt Wagners Ehefrau Mary Mancini Vorsitzende der Demokraten in Tennessee ist, erscheint da als thesenuntermauernde Tatsache. Letztlich kommentiert der Schöpfer der Songs aber auch diesbezüglich lakonisch-entspannt, er habe lediglich ein Album schaffen wollen, das seiner Frau gefallen würde. Somit wäre auch „For Love Often Turns Us Still“ ein denkbares Akronym. Was letztlich zählt, sind die Songs, und mit diesen haben Lambchop vielleicht keine Gattung, allerdings mal wieder sich selbst neu erfunden. Wagners lässige Art erreicht den Hörer direkt und unterstreicht, was Musik schaffen kann: vertraute, wohlige Momente. Für die beiden NRW-Gigs, die im Rahmen der kommenden Deutschland-Tour stattfinden, wurden dahingehend die passenden Locations ausgesucht. Die Akustik des Dortmunder Konzerthauses dürfte dem Sound-Ambiente von „Flotus“ & Co. bestens entgegenkommen; die Behaglichkeit des Kölner Glorias die Atmosphäre der Songs widerspiegeln. Das notwendige Werkzeug für Färbung, Ausrichtung und Gelingen der Konzerte hat Kurt Wagner ja immer parat – so wie damals, beim Basteln und Tüfteln auf den Holzböden dieser Welt. RT ❚ LAMBCHOP KONZERTHAUS, Brückstr. 21, Dortmund (im Rahmen des „Pop-Abo“); Termin: 17.2., 20 Uhr; Preis: ab 21 € + GLORIA, Apostelnstr. 11, Köln; Termin: 21.2., 20 Uhr; Preis: 34,90 €; Verlosung: 2x das Album „Flotus“ unter www.heinz-magazin.de Country – eine Stilfrage Bluegrass: Hier kommen in der Hauptsache Fiddle, Banjo, Kontrabass und Westerngitarre zum Einsatz – die Songs werden meist im 2/4-Takt gespielt. Nashville Sound: Im Gegensatz zum aufkommenden Rock’n’Roll der 1950er-Jahre kamen die Songs dieser Sparte weitaus glatter daher. Neben eingängigen Melodien wurden später Synthesizer ergänzt. Americana: Hier macht der Inhalt den Unterschied – sozialkritische Texte amerikanischer Liedermacher, von Rockmusik beeinflusst. Alternative Country: Ähnlich dem Americana, spielt dieses Genre u.a. mit Punk- und Independent-Motiven. Johnny Cashs „American Recordings“ waren ein Meilenstein. CROSSOVER: UWAGA! Fr 03 03 17 Uwaga! 19 Uhr Ein turbulenter Abend mit Klassik, Jazz und Gipsy der 50er Jahre Anneliese Brost Musikforum Ruhr Kleiner Saal ORCHESTERKONZERT Sa 04 03 17 20 Uhr Bruno Maderna John Cage Bernd Alois Zimmermann Dmitri Schostakowitsch Duke Ellington Leonard Bernstein Anneliese Brost Musikforum Ruhr Großer Saal BOPPIN‘B Fr 05 03 17 20 Uhr Rock‘n‘Roll der 1950er Jahre Anneliese Brost Musikforum Ruhr Großer Saal BERNSTEIN Boppin‘B bochumer-symphoniker.de – Auch auf facebook Infos und Karten unter: 0234 910 8666

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