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HEINZ MAGAZIN ESSEN 02-2017

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HEINZ Magazin Februar 2017, Ausgabe für Essen

STADTPLAN STORY Lust auf

STADTPLAN STORY Lust auf Sauna HEINZ-Interview Wie kaum etwas anderes verbindet man überall auf der Welt das Schwitzbad mit Finnland, dem Mutterland der Sauna. Das Faible fürs Schwitzen zieht sich durch alle Zeiten und Kulturkreise. Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten gibt es heute insbesondere zwischen finnischen und deutschen Saunaritualen? HEINZ sprach mit Risto Elomaa, Präsident der Internationalen Sauna Association (ISA), über Saunakultur. HEINZ: Wie halten Sie persönlich es mit dem Saunabaden? Risto Elomaa: Das Schwitzbad ist für mich immer wichtig gewesen. Ich versuche, drei Mal pro Woche zu saunieren und im Sommer doppelt so häufig. 1961 – ich war 15 Jahre alt – haben meine Freunde und ich den ersten Sauna-Bund in Finnland gegründet. Da hatte ich schon 15 Jahre praktische Sauna-Erfahrung. Meine Großmutter erzählte, ich sei einen Monat alt gewesen, als ich mich das erste Mal in einer Rauchsauna aufhielt, geboren sei ich aber nicht in der Sauna. In einer Rauchsauna? Die Savusauna ist eine originale finnische Sauna – ohne Schornstein oder Abzugsrohr. Wenn die Schwitzhütte aufgeheizt ist, wird der Rauch durch Lüftungsklappen herausgelassen. Erst dann ist sie betriebsbereit. Bis zum Zweiten Weltkrieg machte diese Art der Hitzekabine mehr als 60 Prozent der Saunen in Finnland aus. Zu dieser Form des Schwitzbades zählen heute einige der wichtigsten Saunaspezialitäten in Finnland. In der 2016 eröffneten öffentlichen Designsauna Löyly in Helsinki zum Beispiel gibt es davon eine. In Deutschland ist das Konzept der Rauchsauna speziell in den Städten nicht so einfach umsetzbar. 10 | HEINZ | 02.2017

KARI YLITALO VASTAVALO – SAARA KOSTAMA Die Auflagen beim Brandschutz sind bei uns sehr hoch. Welchen Stellenwert hat das Saunieren heute in Finnland? Saunabaden ist wichtig für uns Finnen. Wir streben an, mindestens einmal pro Woche in die Sauna zu gehen. Viele Entspannungssuchende saunieren aber viel mehr – insbesondere im Sommerurlaub. Wer sauniert, möchte in erster Linie relaxen. Die Sauna ist auch ein Ort, wo man andere Menschen treffen kann oder wo man allein meditiert. Für uns Finnen ist das Saunaritual etwas Persönliches. In dieser Hinsicht sind wir konservativ eingestellt. Ein idealer Aufenthalt im Schwitzbad ist vergleichbar mit der Atmosphäre in einer Kirche. Wie unterscheidet sich die finnische Saunatradition von der in Deutschland zelebrierten Saunakultur? In Finnland gibt es im Gegensatz zu Deutschland immer eine separate Sauna für Damen und Herren; in den öffentlichen Saunaanlagen wird nach Geschlechtern getrennt und wir sind dort stets unbekleidet. Das ist der erste große Unterschied. Und der zweite: Wir möchten beim Aufguss immer eigenhändig Wasser auf die Ofensteine gießen. Saunabesucher in Finnland können die Feuchtigkeit selbst bestimmen. In den öffentlichen Saunaanlagen in Deutschland gießen dagegen Saunameister auf. Welche Rolle spielt der „Gluthauch“ – Hyvä Löyly in der finnischen Saunakultur? HYVÄ LÖYLY – das ist die wichtigste Sache in der Sauna. Wenn der LÖYLY in Ordnung ist, dann sind alle anderen Sachen nicht so wichtig. Wir gießen mit Wasser auf. Ätherische Öle verwenden wir nicht. Ein weiterer großer Unterschied zwischen Deutschland und Finnland ist: Sie haben sehr viele öffentliche Saunen und wir nicht. 2.150 öffentliche deutsche Saunaanlagen sollen es nach Angaben der Sauna- und Wellness-Community saunaindeutschland.de sein. Wir haben in Finnland 20 oder 30 öffentliche Saunen, davon fünf in Helsinki. Alle anderen sind privat. Laut Statistik gibt es in Finnland mehr Saunen als Autos: Auf 5,5 Millionen Einwohner kommen drei Millionen Saunen und zweieinhalb Millionen Autos. Früher gab es in Finnland zahlreiche öffentliche Saunaanlagen. Heute hat fast jeder Finne eine Privatsauna zu Hause und sehr viele haben ein Sommerhaus mit Schwitzkabine und sogar mehrere davon, eine elektrische und eine Rauchsauna. Aber auch spezielle Saunen zu bauen, ist typisch für die Finnen. Der Film „Steam of Life“ – Miesten vuoro von Joonas Berghäll and Mika Hotakainen zeigt einige davon, auch sehr extravagante, unter anderem zu Saunen umfunktionierte Telefonzellen und Erntemaschinen. Sogar Politik soll in Finnland manchmal in der Sauna gemacht werden! Das nennen wir Saunadiplomatie! Das Wort wurde in der Nachkriegszeit gebildet. Wenn damals finnische Politiker mit ihren internationalen Gästen das Schwitzbad aufsuchten, konnte man davon ausgehen, dass sie sich ideell angenähert hatten, wenn sie wieder herauskamen. Gibt es auch Events? Im Sommer feiern wir zum Beispiel das Mobile Sauna Festival in Teuva. Im Mittelpunkt stehen unterschiedliche Mobilsaunen, die präsentiert werden – mindestens vierzig bis fünfzig. Ca. 15 km südlich von Jyväskylä gibt es ein historisches Saunadorf, das Muurame Sauna Village, mit etwa 30 Schwitzbädern. Es wird neu gebaut. Im digitalen Zeitalter haben sich die jahrhundertealten Saunarituale weiterentwickelt. Moderne Zeremonien setzen auf multimediale Effekte und werden in deutschen öffentlichen Saunaanlagen mit hohem Unterhaltungswert aufwendig inszeniert. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung? Das ist ein Trend, der sich vor allem in Deutschland und in Japan ausgebreitet hat. Egal wo, ob in Deutschland, Finnland, Österreich, Korea, Japan, China und anderen Ländern, überall gibt es verschieden ausgeprägte Tendenzen. Zeremonien der Ursaunakultur werden hin und wieder praktiziert. Wenn man die Saunakultur heute weiterentwickeln möchte, sind insbesondere die Baltischen Länder und Russland wichtig. Die traditionelle Rauchsauna im Süden Estlands wird von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe der Menschheit anerkannt. Runde Geburtstage Der Präsident der International Sauna Association (ISA), Risto Elomaa (Foto), saunierte schon fast überall auf der Welt. Wenn er nicht auf Reisen ist, können Mitglieder ihn häufig in einer der Schwitzkabinen der Finnischen Saunagesellschaft auf der Insel Lauttasaari im Westen Helsinkis antreffen. Die Anlage, die als das Mekka der finnischen Sauna gilt, umfasst vier Rauchsaunen und einige herkömmliche Varianten mit Holzöfen sowie eine elektrisch beheizte. Eine Einladung in die Sauna ist eine Ehre, die man besser nur mit einem guten Grund zurückweist. 2017 feiern sowohl die 1977 gegründete Internationale Saunagesellschaft einen runden Geburtstag als auch die 1937 gegründete Finnische Saunagesellschaft und auch Finnland selbst. Das Land, das am 6.12.1917 Selbstständigkeit erlangte, wird 100. Im Rahmen des Festjahres „Finnland 100“ setzt die Finnische Saunagesellschaft ein Projekt um zu Saunen in Finnland, die älter als 100 Jahre sind und noch genutzt werden. Dazu gehören 200 verschiedene Saunen. Außerdem finden die „Helsinki Sauna Days“ statt. Am 11.3. kann jeder Sauna-Eigentümer sein privates Schwitzbad zur öffentlichen Nutzung freigeben. Risto Elomaa – er feierte seinen 70. Geburtstag 2016 – ist seit 2010 Präsident der in Helsinki ansässigen ISA. Seine aktuelle zweite Amtsperiode – seit 2008 war er im Vorstand der ISA – dauert bis Ende 2018, dem Jahr, in dem die ISA den nächsten Internationalen Sauna-Kongress organisiert. © RISTO ELOMAA In Deutschland blüht eine vielseitige und abwechslungsreiche Saunakultur, die sowohl finnisch-russische, indisch-arabische, spanischmaurische als auch griechisch-römische Elemente aufgreift. Die Saunakultur in Deutschland ist eine der besten auf der Welt. Dass das so ist, daran hat in besonderem Maße der Deutsche Sauna- Bund mitgewirkt. Einige der wichtigsten Saunauntersuchungen stammen von Ilse und Werner Fritzsche („Wissenschaftliche Grundlagen des Saunabades“, 1970) und Prof. Dr. Eberhard Conradi, ehemaliger Direktor der Klinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation des Universitätsklinikums (Charité) der Berliner Humboldt Universität und Ehrenpräsident des Deutschen Sauna-Bundes. Leider leben beide Herren nicht mehr. Ich bin sehr glücklich, die beiden kennengelernt zu haben. Welche Rolle spielt die natürliche Gesundheitsförderung beim Saunabaden? Dieser Aspekt ist sehr wichtig. Die gesundheitsfördernden Effekte regelmäßigen Saunierens sind wissenschaftlich belegt. In einer rund zwanzig Jahre laufenden Langzeitstudie „Kuopio Ischaemic Heart Disease Risk Factor Study“ (KIHD) haben sich Wissenschaftler der University of Eastern Finland mit den gesundheitlichen Auswirkungen der regelmäßigen Saunagänge befasst. Dabei wurden mehr als 2.000 gesunde Erwachsene näher untersucht. Regelmäßige Saunagänge sollen das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erheblich verringern und ganz allgemein die Lebenserwartung erhöhen. Das belegt eine Auswertung der KIHD-Studie aus dem Jahr 2015. Eine weitere Auswertung der Forscher Ende des Jahres 2016 zeigt: Wer vier- bis siebenmal pro Woche sauniert, hat ein um 66 Prozent geringeres Risiko an Demenz und Alzheimer zu erkranken als jene, die nur einmal wöchentlich die Sauna besuchen. Was verbindet Saunafans in aller Welt? Menschen, die gern saunieren, sind überall in der Welt gute Freunde miteinander. Sie saunieren, um mentale und physische Entspannung zu erreichen. Immer wieder! Und sie genießen es! Das Gespräch führte Dagmar Tigges 02.2017 | HEINZ | 11

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