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HEINZ MAGAZIN DORTMUND 06-2017

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HEINZ Magazin Juni 2017, Ausgabe für Dortmund

KONZERTE TIPP DES MONATS

KONZERTE TIPP DES MONATS Gegen jeden Wind Liken oder lassen Die Band Jennifer Rostock bezieht Stellung: in ihren Songs, in ihren Musikvideos, in sozialen Medien. Dass diese Haltung nicht nur auf Zustimmung trifft, nehmen Sängerin Jennifer Weist & Co. selbstbewusst hin. Im HEINZ-Interview verrät die Band, wie sie mit Shitstorms umgeht, warum Ecken und Kanten im Musikbusiness so wichtig sind und weshalb sie sich auf ihren diesjährigen Gig beim Zeltfestival Ruhr freut. HEINZ: Die YouTube-Bloggerin „Bibi“ Heinicke veröffentlichte jüngst ihr erstes Musikvideo, das mit über 1,4 Mio. Dislikes im Netz abgestraft wurde. Inwiefern ist es Segen bzw. Fluch, dass im Netz jeder alles bewerten kann? Band: Was ist denn die Alternative? Zensur? Uns sind da auch schon einige Brisen ins Gesicht gepfiffen, aber lasst die Leute halt reden. Es gibt natürlich Grenzen. Falls irgendwelche Straftatbestände erfüllt werden, hört der Spaß auf, aber wenn man einfach nur einen miserablen Song veröffentlicht hat und die Leute das eben genau so empfinden, dann muss man da halt durch. Zumal der Negativhype auch ganz schön Geld in die Kasse von Bibi und ihren Vermarktern gespült hat. Die braucht sich nicht beschweren. Falls das Fell allerdings doch zu dünn ist: Die Kommentarfunktion lässt sich mit ein paar ungeübten Klicks ausschalten. Wie geht man als Band, die in der Öffentlichkeit steht, mit Shitstorms im Netz um? Welche Strategie bietet sich da an? Band: Ignorieren, aussitzen, das geht alles vorbei. Als das bei uns damals losging mit den Frei.Wild-Heinis, haben wir uns hier und da noch zu Diskussionen hinreißen lassen. Da darf man gar nicht erst mit anfangen. Die Leute kommen in deine Kommentarspalte, um zu trollen, nicht um ihre Meinung zu überdenken. Social-Media-Gegenwind kann Euch also nichts anhaben – Drohbriefe im heimischen Briefkasten sind jedoch etwas anderes. Jennifer: Das ist eben eine andere Qualität. In solchen Momenten wird dann auch die Staatsgewalt mit ins Spiel gebracht. Über Beleidigungen im Internet kann ich meist nur lachen. Da wird im ersten Moment doch mal kurz geschluckt. Wobei eine anonyme Drohung in der Post auch nicht gerade von Standhaftigkeit zeugt. Das ist nur Angstmache. Etwas, das man bei Künstlern, die sich im Netz klar positionieren, oft beobachten kann, ist der Wunsch der Fans, Politik doch bitte außen vor zu lassen. Wie sehr teilt Ihr diese Haltung? Band: Dann können diese Leute gerne weiter belanglosen Radio-Pop hören. Da traut sich keiner was, aus Angst, die Zielgruppe zu vergraulen. Wer Künstler mit Ecken und Kanten will, der sollte auch vertragen können, dass diese eventuell eine Meinung haben. Zumal diese auch oft Teil der Kunst als solches ist. Gerade, wenn es in Richtung Punk geht. Campino sagte jüngst in einem Interview, Künstler würden sich viel mehr einbringen, wenn nicht die Sorge vorm Shitstorm da wäre. Wie beurteilt Ihr diese Entwicklung? Band: Angst vor dem Shitstorm – da würden wir widersprechen. Warum sollte man die denn haben? Da tobt der Mob eine paar Tage in den 26 | HEINZ | 06.2017

F O U R A R T I S T S P R Ä S E N T I E R T © JR Sozialmedien und im Anschluss ist wieder alles wie vorher. Angst ist in diesem Kontext ein sehr großes Wort. Wie seht Ihr die aktuelle politische Stimmung? Man hat zusehends das Gefühl, lediglich die Wahl des kleineren Übels könne Schlimmeres verhindern. Band: Das kann man so pauschal nicht anwenden. Klar, es gibt in den seltensten Fällen einen Kandidaten oder auch nur eine Partei, mit der man sich hundertprozentig identifizieren kann. Aber war das nicht schon immer so? Was wir gerade an der aktuellen Stimmung begrüßen: Seitdem ein Rechtspopulist im Weißen Haus sitzt und die Erwartungen seiner Wähler nicht erfüllen kann, sitzt dieses rechte Gespenst auf dem absteigenden Ast. Hoffentlich fühlen wir da richtig. Nicht nur im Clip zu „Hengstin“ zeigst Du, Jennifer, Haut – auch etwas, das stets zur Diskussion steht. Was gibt es da für Rückmeldungen? Sowohl positive, als auch negative! Jennifer: Das meiste kann man sich ja denken. Schade finde ich persönlich allerdings den Gegenwind aus dem feministischen Lager. Nicht generell, aber es gibt einzelne Stimmen die meinen, dass Haut zeigen und Feminismus nicht einhergehen. An dieser Stelle möchte ich gerne Judith Holofernes zitieren, die auf die Frage „Muss man sich für die Rechte der Frau ausziehen?“ mit „Nein, aber man muss sich dafür auch nicht anziehen“ antwortete. Das fasst die Thematik in meinen Augen ganz gut zusammen. Bei Markus Lanz hieß es in geselliger Runde, Du mögest doch bitte mal Dein „Arschgeweih“ vor laufender Kamera zeigen. Denkt man da: „Habt Ihr überhaupt verstanden, worum es mir geht?!“ Jennifer: Dazu muss man den Kontext sehen. Als ich in den Anfangsjahren in Talkshows saß, war ich halt die extrovertierte Tattoo-Alte, mit der keiner so richtig was anfangen konnte. Da lag es meist auf der Hand, sich auf das Offensichtliche zu fokussieren. Nicht unbedingt gehobener Journalismus, aber damit kann auch der Zuschauer zuhause wohl etwas anfangen. Das hat sich über die Jahre aber deutlich gebessert. Die Leute wissen, dass ich nicht mehr über meine Tattoos reden will. Im Song „Neider machen Leute“ heißt es dann auch: „Kann man liken, kann man lassen“. Inwiefern hat sich nach fünf Alben, neuem Management und Label-Wechsel eine gewisse Abgeklärtheit eingestellt? Band: Abgeklärtheit würden wir uns manchmal wünschen. Du kannst Dir nicht vorstellen, was für neue Überraschungen uns allwöchentlich erwarten, wenn wir uns zum Jour Fixe mit dem Management zusammensetzen. Ja, sowas machen wir. Richtig Punkrock, nicht wahr? Euch steht eine ausgedehnte Festivaltour bevor. Was ist das Besondere an Open-Air-Gigs, das es in Clubs nicht gibt? Im Idealfall: Sonne! Als Band tourt man meist in den kalten Monaten und verbringt sehr viel Zeit in stickigen Backstage-Räumen ohne Fenster. Manche von uns atmen einen ganzen Monat lang keinen frischen Sauerstoff. Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie gut so ein bisschen Luft manchmal tut! Im August steht der Gig beim Zeltfestival Ruhr in Bochum an – welche Erinnerungen habt Ihr an den letzten Besuch 2011? Band: Es gab Zelte! Das ist doch schon mal was! Es ist bei unserem Pensum wirklich etwas schwierig, sich an jedes Konzert zu erinnern. Worauf dürfen sich Eure Fans in diesem Jahr freuen? Band: Wir sind in letzter Zeit so selten im Pott! Von daher sind wir erstmal heidenfroh, dass wir diese Tatsache ändern dürfen. Und genau aus erstgenanntem Grund hat bestimmt ein Großteil in der Ecke unser neues Album noch nicht live gesehen. Wir bringen wie immer Schnaps und Konfetti oder konfettiähnliche Spaßbeschleuniger mit! Das wird ein rundum super Abend! Oh, und unser Basser hat sogar heimatliche Verbindungen in die Gegend! Der freut sich auch! Das Gespräch führte Robert Targan ❚ JENNIFER ROSTOCK Zeltfestival Ruhr, Kemnader See, Querenburger Str. 35, Bochum/Witten; Termin: 25.8., 20.30 Uhr; Preis: 41,60 € (VVK); www.zeltfestival.ruhr GET LOUD OPEN AIR TOUR 2017 So. 27.08.2017 Seaside Beach Baldeney Essen MEHR INFORMATIONEN UND TICKETS UNTER: 01805-570070 (14 CENT/MIN. MOBILFUNKPREISE KÖNNEN ABWEICHEN) WWW.FOURARTISTS.COM

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