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HEINZ Magazin Bochum 11-2016

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HEINZ Magazin November 2016, Ausgabe für Bochum, Herne und Witten

Dissonante Operndiva

Dissonante Operndiva Zweifache Wiederkehr Sie war die schrägste Schraube im losen Sortiment des exzentrischen New York der frühen Postmoderne: Florence Foster Jenkins. Auch 70 Jahre nach ihrem Tod hat die schrille Sopranistin nichts von ihrer Faszination verloren. Jetzt treten gleich zwei Weltstars in der Rolle der „schlechtesten Sängerin der Welt“ auf. Das doppelte Leinwand-Comeback von Florence Foster Jenkins ist eine Hommage an ein genialisches Gesamtkunstwerk aus Wahn und Wonne. D ie Besetzung mit Meryl Streep und Hugh Grant ist der amerikanisch-britischen Verbindung von Foster-Jenkins und St. Clair nachempfunden: Er – vollendeter Gentleman mit der perfektionistischen Hingabe eines Butlers und sie – kapriziöse Salondame mit kalkuliertem Wirklichkeitsverlust. Stephen Frears inszeniert seine Heldin als Tragödin inmitten einer Farce, die den Zuschauer unweigerlich in die Position der staunend ungläubigen Zeitzeugen ihrer bizarren Auftritte rückt. So gelingt dem englischen Regisseur ein heikler Balanceakt zwischen Lächerlichkeit und ergreifender Anteilnahme, den er bereits in „The Speech“ grandios vorexerziert hat. Dennoch ist „Florence Foster Jenkins“ eher ein Hollywoodfilm mit deutlichem Mainstream-Appeal und Konzessionen an gefällige Gemeinplätze und sanfte Ironie. Dafür bieten Hugh Grant und Simon Helberg in der Rolle des leidensfähigen Pianisten Cosme McCoon einen Kosmos aus fein nuancierten Regungen überspielten Entsetzens. Das Drama konzentriert sich auf das entscheidende letzte Konzert der Möchtegern-Diva, den tragischen Kulminationspunkt ihres Lebenswerkes: eine Künstlertragödie mit Feelgood-Effekt. Vor die Bugwelle des Medienhypes um den potenziellen Arthouse- Hit hat sich geschickt die deutsche Dokumentation „Die Florence Foster Jenkins Story“ platziert. In einer Kombination aus Spielszenen und Interviews mit Zeitzeugen, Historikern und Hinterbliebenen gelingt eine Annäherung an das Phänomen aus kulturhistorischer Sicht. War Foster Jenkins etwa eine frühe Feministin, Vorreiterin der Camp-Kunst, Performance-Aktivistin oder schlichtweg verrückt? Origineller Kunstgriff dieser facettenreichen Perspektive auf die Künstlerin ist die Besetzung der Titelfigur mit einer „echten“ Operndiva. Die New Yorker Mezzo-Sopranistin Joyce DiDonato lässt mit ihren Darbietungen Illusion und Wirklichkeit des Oeuvres der Florence Foster Jenkins wirkungsvoll changieren – ein Zugang, der ihr vielleicht am ehesten gerecht wird. philipp koep ❚ DIE FLORENCE FOSTER JENKINS STORY D 2016, 93 Min., Regie u. Buch: Ralf Pleger, mit: Joyce DiDonato, Adam Benzwi, Rekeszus; Start: 10.11. ❚ FLORENCE FOSTER JENKINS GB/F 2016, 110 Min., Regie: Stephen Frears, mit: Meryl Streep, Hugh Grant, Simon Helberg, Rebecca Fergusson, Stanley Townsend, Nina Arianda; Start: 24.11. 52 | HEINZ | 11.2016

SALZGEBER & CO. MEDIEN GMBH, PHILLIP BABEN DER ERDE 2016 CONSTANTIN FILM VERLEIH GMBH Florence Foster Jenkins – genial daneben Ihre Darbietungen im Verdi-Club hatten etwas von „Des Kaisers neue Kleider“ – nur dass sich niemand traute der reichen Mäzenin zu sagen, dass ihre sehr limitierten Gesangskünste an den Arien kläglich scheiterten. Vielleicht lag es an der von John St. Clair Bayfield kunstvoll arrangierten Schutzhülle oder schlicht an ihrer von der Syphilis verzerrten Selbstwahrnehmung: Sie selbst hielt sich für eine begnadete Sängerin, die es auch mit den größten Operndiven ihrer Zeit aufnehmen konnte. Der Ruhm war ihr schon früh in die Wiege gelegt worden. 1868 wurde sie als Tochter eines wohlhabenden Juristen und Bankiers in einer Kleinstadt in Pennsylvania geboren. Bereits in jungen Jahren wurde sie als „Wunderkind“ am Klavier präsentiert, doch die gewünschte Gesangsausbildung wollte der Vater, offenbar in nüchterner Einschätzung ihres Talentes, nicht bezahlen. Mit 18 heiratete Florence Foster den Arzt Thornton Jenkins, der ihr nicht nur den Nachnamen anhängte, sondern auch eine Syphilis. Die seinerzeit drastischen hochgiftigen Behandlungsmethoden kosteten sie die Haarpracht und beeinträchtigten möglicherweise auch Gehör und Wahrnehmung. Nach 17 Jahren glückloser Ehe trennte sich Florence von Jenkins und arbeitete als Klavierlehrerin. 1909 lernte sie den britischen Schauspieler St. Clair Bayfield kennen, der als Shakespeare-Mime durchs Land zog. Er wurde ihr Mann und Manager für die restlichen 36 Jahre ihres Lebens. In einer symbiotischen Beziehung zu der dominanten Amerikanerin, die durch das Erbe ihres Vaters sehr wohlhabend wurde, übernahm er die Rolle eines umsichtigen Kümmerers für die Belange der zunehmend exzentrischen Künstlerin. Florence finanzierte sich aus dem Erbe nun Gesangsunterricht und gab 1912 in Philadelphia ihr erstes Konzert. Die eigenwilligen Darbietungen in pompösen Arrangements waren nichts für Freunde des Wohlklangs. Auch heute noch kann man auf einigen Tonaufnahmen, seinerzeit eigens produzierte Schallplatten, das klägliche Versagen der Stimme vor den hochgesteckten Anforderungen der Arien hören: Ton, Takt und Melodie konnte sie selten treffen oder halten. An ihre musikalischen Begleiter stellten die Konzerte höchste Ansprüche, ständig mussten die Fehlleistungen der Diva aufgefangen und kaschiert werden. Ob Häme oder fassungsloses Staunen, die Nachfrage nach Konzertkarten war groß. Dennoch blieben die Veranstaltungen, etwa im noblen New Yorker Ritz-Carlton Hotel, ein exklusives Ereignis für handverlesene Gäste. 1944 gab Florence Foster Jenkins, mittlerweile 76 Jahre (!) alt, dem öffentlichen Druck nach und kündigte ein Konzert in der legendären Carnegie Hall an. In kurzer Zeit waren die fast 3.000 Karten ausverkauft und nur noch auf dem Schwarzmarkt zu haben. Das Drama nahm seinen Lauf. Anders als früher konnten Rezensenten nicht bestochen werden, das Presse-Echo war ein Fiasko. Und das Schlimmste: St. Clair Bayfield konnte die New Yorker Zeitungsausgaben nicht alle aufkaufen. So zerstörte das denkwürdige Konzert Florence Foster Jenkins’ Lebenstraum. Vier Wochen später starb sie. Auf ihrem Grabstein ist zu lesen: „Die Leute können vielleicht behaupten, dass ich nicht singen kann, aber niemand kann behaupten, dass ich nicht gesungen hätte.“ Ob Camp-Art-Ikone oder Bad-Taste-Kultfigur: Florence Foster Jenkins hat ihre Zeit überlebt, während die arrivierten Operndiven von damals längst vergessen sind. Ihre Gesangskunst dürfte übrigens die Figur der überforderten Gesangskünstlerin Susan Alexander in Orson Welles’ Klassiker „Citizen Kane“ inspiriert haben. Im letzten Jahr war Foster Jenkins auch schon das Thema der französischen Tragikomödie „Madame Marguerite oder die Kunst der schiefen Töne“ mit Catherine Frot in der Titelrolle. Und, last but not least: Selbstverständlich gibt es Verschwörungstheorien, die die tatsächliche Existenz der Florence Foster Jenkins in Zweifel ziehen. Spätestens damit ist sie unzweifelhaft unsterblich. Weihnachtsmänner Jetzt zugreifen: • Tel. 0800/22 66 56 00 (gebührenfrei) • www.gutscheinbuch.de • im Handel Exklusiv für Sie 25% Rabatt und versandkostenfreie Lieferung mit Code: HEINZ16 Kuffer Marketing GmbH Würzburger Straße 5 93059 Regensburg ... aufgepasst! Das perfekte Geschenk 2x essen, 1x zahlen und viele Rabatte Erhältlich für 150 Regionen, u.a.: Duisburg, Essen, Bochum, Dortmund, Wuppertal und Remscheid-Solingen

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