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09-2017 DORTMUND HEINZ MAGAZIN

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HEINZ Magazin September 2017, Ausgabe für Dortmund

Mit vielen Freunden 15

Mit vielen Freunden 15 Jahre Sondaschule Spätestens mit ihrem jüngsten Album „Schere, Stein, Papier“ spielen die Mülheimer Sondaschule-Punks in der gleichen Liga wie die Toten Hosen oder die Ärzte: Sie sind ganz oben in den Charts vertreten und die Venues ihrer Konzerte sind über die Jahre stetig nachgewachsen. Weil der Andrang bei ihren Livekonzerten enorm ist, feiern sie nun ihr 15-jähriges Bühnenjubiläum als großes Open-Air-Festival mit vielen befreundeten Bands im Amphitheater Gelsenkirchen. Montreal, Foto: Max Threlfall S ein Markenzeichen ist der Hut, schon in jungen Jahren war Sondaschule-Frontmann Costa eigentlich nie ohne Kopfbedeckung anzutreffen: „Ich war zu faul, mir die Haare zu kämmen. Deshalb lief ich mit zehn oder elf Jahren schon fast ausschließlich mit einem Käppi herum, worüber mein Vater ständig Witze riss, was ich denn nur für ein Schlunzkopf bin“, verrät der Sänger und lacht. „Später“, so führt er fort, „habe ich Filme wie ,Der Pate‘ gesehen und war fasziniert vom Style der Protagonisten. Denn fast alle Mafiosi liefen dort in schicken Anzügen rum und fast alle mit Hut – so bin ich auf mein Modell gekommen.“ Das klingt humorig, aber Costa spricht auch über sehr ernste Themen: Einen üblen Moment erlebte er in der laufenden Festivalsaison: „Als die Terrorwarnung das ,Rock Am Ring‘-Festival erreichte, stand ich direkt am Bühnenrand. Plötzlich erklomm der Veranstalter Marek Lieberberg während der Show der Broilers die Bühne, und es ging die Nachricht an die Besucher raus, dass das Festival beendet werden muss. Ich kriege heute noch eine Gänsehaut, wenn ich daran denke, wie friedlich die 80.000 Besucher diese Schocknachricht aufgefasst haben und vom Gelände getrottet sind.“ Ein weiterer Moment, der ihn beeindruckt hat: „Mit einer Jugendgruppe war ich in Tel Aviv unterwegs, und wir trafen uns vor Ort fast täglich in einem bestimmten Café. Dieses Lokal lag in einem Stadtteil, der besonders oft das Anschlagsziel war. Als ich fragte, warum wir uns denn ausgerechnet hier treffen müssten, war die Antwort, dass man sich immer dort träfe.“ Das zeigt ihm, wie man der Welt begegnen kann, die von Aggressionen beherrscht wird: mit Gelassenheit. 20 | HEINZ | 09.2017

BASTIAN HARTING Ähnlich locker schaut er auf die Bandgeschichte, die Umbesetzungen zu verkraften hatte: „Wenn jemand in der Band Vater von Zwillingen wird und mitbekommen möchte, wie seine Kleinen groß werden – natürlich habe ich dafür Verständnis. Wäre ja schlimm, wenn dem nicht so wäre.“ Irgendwie scheint das Umfeld von Mülheim an der Ruhr seine Einwohner mit viel Bodenständigkeit ausgestattet zu haben, das gilt ja auch für Musiker wie Helge Schneider, Bluttat oder Bohren & Der Club of Gore. Costa stimmt zu und sagt: „In unserer Anfangsphase haben wir besonders zu Lokalmatadore hochgeschaut, die auch aus Mülheim kommen. Wir waren froh, dass wir in ihrem Vorprogramm auftreten durften. Deshalb wollen wir uns bei denen bedanken und haben sie zu unserem 15-jährigen Livejubiläum eingeladen.“ Das wird eine große Sause, bei der auch Bands wie Massendefekt und Montreal am Start sein werden. Mit keiner anderen Band waren die rotzfrechen Skapunks so oft unterwegs wie mit ihren Kollegen von Massendefekt oder Montreal. „Beide Bands sind uns über die Jahre sehr ans Herz gewachsen“, gibt Sondaschule-Sänger Costa zu verstehen. Massendefekt stammen aus Neuss und Düsseldorf und bewegen sich mit intelligenten Textinhalten irgendwo zwischen Punk und schnittigem Deutschrock. Mit etwas mehr Ironie kommen Montreal zur Sache. Ihr Song „Zucker für die Affen“ ist beispielsweise ein klarer Affront gegen Bands, die zuerst die Bühnenabstinenz via Bandauflösung angekündigt haben – um dann kurz darauf aus reinen Profit- und Profilierungsgründen doch wieder eine Comeback- Tour anzukündigen. „Ich kann es nicht so gut haben, wenn irgendwelche Leute stöhnen, dass früher alles besser war. Ich glaube zum Beispiel, dass heute viel mehr deutschsprachige Musik im Radio läuft als noch vor zwanzig oder dreißig Jahren“, sagt Costa – und hat dabei mit Sicherheit auch die witzigen und intelligenten Texte von Montreal und Massendefekt im Hinterkopf. Ebenfalls mit deutschsprachigen Texten hantieren Lokalmatadore – ihr Sänger Fisch wird bei dieser Sause im Amphitheater gleich zweimal auf der Bühne stehen: Mit einem kurzen Soloprogramm wird er zuerst alte Peter-Alexander-Schlager sowie Countrysongs auf der Wandergitarre präsentieren, etwas später dann nochmal mit dickem Punkrock-Programm mit seiner eigentlichen Hauptband, die wie Sondaschule auch aus Mülheim an der Ruhr stammt. „Wir haben Lokalmatadore sehr viel zu verdanken”, sagt Costa und kramt dann in seinen Erinnerungen: „Als uns noch niemand kannte, waren Fisch und seine Jungs so mutig und haben uns als Vorband eingeladen. Schon damals haben sie an den entferntesten Ecken vor 600 Leuten gespielt – das hatte schon sehr viel Eindruck auf uns gemacht.“ Mit Ska- und Crossover-Einflüssen stehen auch Pott Riddim an diesem feuchtfröhlichen Feiertag mit auf der Bühne, die direkt am Rhein-Herne-Kanal liegt. Diese vier Jungs heißen Makko, Alex, Kiron und Thorsten, ihr aktuelles Album „Nie mehr arbeiten gehen“ wurde übrigens von Costa produziert. „Die Musikszene bei uns in Mülheim ist sehr klein und überschaubar, das ist jetzt nicht mit Städten wie Berlin oder Hamburg vergleichbar. Zwangsläufig kennt man sich und hilft sich wo man kann“, so Costa. Sondaschule kennen auch die Musiker von Der Butterwegge aus Duisburg. Dieses Kollektiv kombiniert Liedermacherqualitäten mit ruppigen Punkrocktexten. Außerdem spielen noch die Sludge-Metaller von Das Pack sowie die Crossover- Combo Pensen Paletti. Bei dieser facettenreichen Bandbreite ist für viele Geschmacksrichtungen etwas dabei. Für einen perfekten Open- Air-Tag ist nun aber noch der Wettergott gefragt. Peter Hesse Massendefekt, Foto: Viktor Schanz ❚ SONDASCHULE Open Air Amphitheater, Grothusstr. 201, Gelsenkirchen; Termin: 9.9., 15 Uhr; Preis: 35,50 € (VVK)

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