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05_2019 HEINZ MAGAZIN Essen

BÜHNE | TIPP DESMONATS

BÜHNE | TIPP DESMONATS Neuanfänge „Er nimmt sie an der Hand und führt sie in das Schloss, die anderen folgen“, uraufgeführt 1978 in Bochum ©Ulli Weiss, copyright Pina Bausch Foundation Dinge wieder aufnehmen Keineleichten Zeiten fürdas TanztheaterWuppertal Pina Bausch: DieQuerelen in derFührungsriege samt Entlassung Adolphe Binders im letztenJahrsorgten für reichlichSchlagzeilen. Anfang 2019 haben Bettina Wagner-Bergelt und Roger Christmann übernommen, im Maisteht diePremiereeiner Neueinstudierung eines frühen Stückes an. Wieesumdas Ensemble bestelltist undwie es weitergehen soll,erfuhrNadine Sole vonIntendantinWagner-Bergelt. S ie haben die Intendanz des Tanztheaters unter chaotischen Umständenübernommen.Worin lagfür Sie der Reiz, nach Wuppertalzukommen? Man hatte mich schon vor vier Jahren gefragt, ich konnte damals aus persönlichen Gründen nicht. Es ist eines der spannendsten Ensemblesauf der Welt und in Deutschland allemal.Ich findeesgroßartig, wie das Ensemble die zehn Jahre ohne Pina Bausch durchgestanden und das Repertoire auf höchstem Niveau gehalten hat – unter diesen häufig widrigen Umständen. Ich war ja zuletzt Freelancer,habe 2017 aufgehört an der BayerischenStaatsoper,woich 27 Jahrewar,und dachte,das ist jetzt eine gute Chance zuetwas Neuem. Unter nicht ganz einfachen Umständen. Aber was ist schon einfach? Einfache Dinge reizen mich in der Regel nicht. Im Gegensatz zumInteresse der Presse am Skandalsteht die positive Reaktion des Publikums auf das Programm. Die Nachfrage ist riesig, nach den Stücken herrscht Ausnahmezustand. WieerklärenSie sich das? Bettina Wagner-Bergel ©Claudia Kempf Das muss man einfach auseinanderhalten. Esgeht jetzt wieder um künstlerische Dinge und auch das Ensemble würde gerne wieder mit künstlerischenThemenindie Zeitungen kommen und dasThema Binder und die sogenannten Skandale begraben. Ich kann nur sagen, so einen Schritt, sich von einem Intendanten zutrennen, macht man nicht einfach ausSpaß. Ichbin dreißig Jahre imTheater und ich weiß, Meinungsverschiedenheiten werden, wenn möglich, irgendwie unter den Tisch gekehrt. Soeinen Skandal auch für ein Ensemble in Kauf zu nehmen, das macht man nicht, wenn man einen anderen Weg sieht. Aber ich hoffe, dass man jetzt wieder zu dem zurückkehren kann, worum eseigentlich geht: die künstlerische Arbeit. Mitwenig Irritationen. DasPublikum istjada... Eben. Und die Gastspielangebote liegen auf dem Tisch. Diekönnenwir kaum alle wahrnehmen.Dawar die Planung für diese und die kommende Spielzeit noch nichtbesonders weit fortgeschritten,wenig vorbereitet.Aberjetzt habenwir schnell reagiert. Gott sei 60| HEINZ |05.2019

Dank ist das Interesse international und auch hier in Deutschland sehr groß. Wie beurteilenSie den Status quo? RogerChristmann und ichversuchendie nächsten zweieinhalb Jahre so effektivwie möglich zu nutzen.Das heißteinerseits,herauszufinden, was das Ensemble sich für die Zukunft vorstellt und welche Probleme es sieht, wie esauch mit der Trauer um Pina Bausch umgegangen istund umgeht. 10 Jahre „Das istfasteinearchäologischeArbeit, die Pina Bausch geleistet hat, um dem auf den Grundzu gehen, wasMenschen sich gegenseitigantun,imPositivenund Negativen.“ sind eine lange Zeit und irgendwann muss diese Phase der Trauer beendet sein und dann geht auf dem Fundament der Vergangenheit etwas Neues los. Wir versuchen, diesen Prozess zubegleiten und nicht nur eine Übergangslösung zu sein, sondern unsere sehr klaren künstlerischenund organisatorischen Vorstellungen in einen Neuanfangmünden zu lassen. WUPPERTAL2019 Lesungen, Konzerte Theater,Symposien Workshops Ausstellungen Performances Wie sind SiePinaBausch daserste Malbegegnet? Daswar ganz früh in den90ern.Dahabeich das Stück„1980“gesehen, das war Liebe auf den ersten Blick. Als ich dann 1990 nach München ging, habe ich es kurz danach als Gastspiel ins Nationaltheater eingeladen. Daverbrachte ich das erste Mal Zeit mit Pina Bausch. Sie war eine ganze Woche inMünchen. Das war eine spannende Zeit und wirhabenauchvielprivatmiteinander gesprochen. Wir sind jabeide Theaterfrauen, die Kinder haben, was nicht ganz leicht ist. Damals war esnoch viel schwerer als heute, das unter einenHut zu bekommen. Ichwürde niebehaupten,dasswir befreundet waren, aber wir schätzten uns –ich sie natürlich noch tausendmal mehrals siemich. (lacht) Im Maikommt „Ernimmt sie an der Hand und führt sie in dasSchloß, die anderen folgen“zur Neueinstudierung.Bei derPremiere 1978 in Bochum kam es zu Tumulten.Welche Reaktionen erwarten Sie? Es ist ein sehr wichtiges Stück aus der Anfangsphase von Pina Bauschs Arbeit inWuppertal, methodisch, dramaturgisch, im Umgang mit Text und Sprache und Bewegung. Also spannend zu sehen, wie sich die Rezeption nach sovielen Jahrzehnten verändert, ob siesichverändert. MirsinddiesefrühenArbeiten besondersnah, in denen Pina Bausch ganz unversöhnlich war, es keine Auswege aus dem Unglück gab, das wir anrichten. Angesichts des zehnten Todesjahres Pina Bauschs ganz und gar angemessen, sich mit den frühen Jahren und Produktionen neu zubefassen. Auch, weil ich denke,dassdas eineungeheuerspannendeZeitwar,Mittebis Ende der Siebziger, in denen sie eine fast archäologische Arbeit geleistet hat, um dem auf den Grund zugehen, was Menschen sich gegenseitig antun, im Positiven und Negativen. Eszeigt eine sehr eigene, eigenwillige Sichtweise auf die Figur des Macbeth, diesen machtkranken, angsterfüllt um sich schlagenden Menschen und die Machtverhältnisse,die da eineRolle spielen. Dieseüber-Leichen-gehende Gier nach Macht und was das dann für ein Platz ist, andem man steht, wenn man bekommen hat, was man wollte, einsam, fernab aller Humanität, angstzerfressen. Ein sehr aktuelles Thema, bei allden Despoten, die wirgeradeumuns herumwachsensehen, die genauauf dieseskrupelloseWeiseagieren. ELSE LASKER-SCHÜLER GESELLSCHAFT www.ELS2019.de Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages ❚ ER NIMMT SIEANDER HAND,FÜHRTSIE IN DASSCHLOSS, DIE ANDERENFOLGEN Opernhaus,Kurt-Drees-Str. 4, Wuppertal; Termin: 17.5.-26.5. (außer20.+23.5.),19.30 Uhr(außerSo18Uhr); Preis:ab15€ 05.2019| HEINZ |61

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