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03-2018 BOCHUM HEINZ MAGAZIN

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Heinz Magazin März 2018, Ausgabe für Dortmund

STADTPLAN | STORY Klare

STADTPLAN | STORY Klare Verhältnisse Wasser als Wirtschaftsfaktor Sektor. Entspanntes Joggen um den Baldeneysee, Festivals am Kemnader See und das gemütliche Tuckern der MS Schwalbe in Witten: Nicht selten wird die Ruhr samt ihrer Stauseen aus der Freizeitperspektive betrachtet. Dabei ist der rund 219 km lange Fluss auch aus wasserwirtschaftlicher Sicht ein Phänomen inklusive spannender Geschichte. Für die Rolle des Gewässers als Trink- und Brauchwasserversorger ist der Ruhrverband zuständig. 14| HEINZ |03.2018

Blick auf von oben auf den Kettwiger See © Ruhrverband D ass wir sauberes Wasser erhalten, wenn wir morgens fürs Duschen, Zähneputzen und Kaffeekochen den Hahn aufdrehen, erscheint uns ohne Frage als selbstverständlich. Es reicht jedoch bereits der Blick auf weniger entwickelte Länder, um festzustellen, dass auch in der heutigen Zeit noch wasserbürtige Krankheiten existieren: Malaria, Bakterienruhr und Darminfektionen bilden einen heftigen Krankheitsverlauf ab. Solcherlei Umstände waren in unserer Region vor über 100 Jahren ebenfalls Normalfall, weiß Markus Rüdel, Pressesprecher des Ruhrverbands in Essen: „Anfang des 20. Jahrhunderts gab es etliche Todesfälle zu beklagen, aufgrund von Typhusepidemien und anderen wasserbürtigen Krankheiten. Dieser Umstand hat gezeigt, dass unsere damalige Trinkwasserversorgung und Abwasserreinigung nicht mit dem industriellen Fortschritt standgehalten haben.“ Doch der Wasserverbrauch stieg in eben dieser Zeit sehr stark an – zum einen wegen der Industrialisierung, zum anderen durch den großen Bevölkerungszuzug als Folge dieser Entwicklung. Eine zentrale Verteilung war die Lösung, das erste Wasserwerk entstand in den 1860er Jahren in Essen. Fortan wurde so Wasser aus der Ruhr gewonnen, um die Bewohner damit zu versorgen. Neue Probleme ließen jedoch nicht lange auf sich warten: „Längs der Ruhr entstanden weitere Wasserwerke, entnahmen Wasser aus der Ruhr und bewirkten, dass der Fluss um 1910 bei Mülheim nahezu trockenfiel“, verdeutlicht Rüdel. „Das wenige Wasser, das noch floss, wies eine sehr schlechte Qualität auf, da zudem meist ungereinigtes Abwasser in die Flüsse eingeleitet wurde.“ Ein Besuch im Haus der „Historischen Sammlung der Ruhrwasserwirtschaft“ in Essen Rellinghausen bietet einen ausführlichen Einblick in diese ereignisreiche Zeit und zeichnet die Entwicklung der Ruhr samt ihrer Nebenflüsse nach. Die Heimat der Schleuse Baldeney © Ruhrverband Sammlung ist selbst ein Stück Geschichte, befindet sich das Gebäude aus dem frühen 20. Jahrhundert doch direkt neben einer ehemaligen Kläranlage. Seminarräume, eine historische Bibliothek sowie allerlei zeitgenössische Exponate gehören hier zur Ausstattung. Fließende Geschichte 1875: Otto Intzewirbt fürdie Ideedes Talsperrenbaus – die Grundlage der modernenWasserwirtschaftinDeutschland 1910: Dr.KarlImhoffveröffentlicht sein Gutachten „Die Reinhaltung der Ruhr“ zur Abwasserreinigung 1912: In Essen-Rellinghausen entsteht der Prototyp einer Kläranlage 1913: DasRuhrreinhaltungsgesetz wird erlassen und der Ruhrverbandgegründet 1925: Dieerste deutscheBelebungsanlage reinigtdie Abwässervon 45.000 Essenern 1933: Mitdem Baldeneyseegehtder größte vonheute fünf Ruhrstauseen in Betrieb 1977: DerRuhrverbandzählt mittlerweile120 Kläranlagen 2017: DieWasserqualitäterlaubt es,ineinem Teil der Ruhr wieder zu baden Paddeln auf der Ruhr © Ruhrverband Um die damalige Versorgungssituation verstehen zu können, ist ein genauer Blick notwendig. Der sogenannte „Schrei nach Wasser“ hallte um 1900 durchs Ruhrgebiet; ein Mangel, der nicht nur die Montanindustrie betraf: Zählte die Stadt Essen 1850 maximal 30.000 Einwohner, waren es 1910 bereits 500.000. Bewegung in die Abwasserreinigung brachte im selben Jahr Dr. Karl Imhoff mit seinem Gutachten „Die Reinhaltung der Ruhr“; drei Jahre später begünstigte das Ruhrreinhaltungsgesetz die Gründung von Ruhrtalsperrenverein und Ruhrverband. Acht Talsperren sowie Kanalisationspläne und Reinigungsanlagen sorgten schon bald dafür, dass die Erkrankungen in der Bevölkerung stark zurückgingen. Dennoch: Mitte der 1970er Jahre dokumentierten Messungen die stärksten Verschmutzungen in der Ruhr – gleichzeitig war dies die Zeit der höchsten Wasserverbräuche. Markus Rüdel blickt zurück: „Ende dieses Jahrzehnts setzte ein gesellschaftliches Umdenken ein. Der Umwelt- und Gewässerschutz erhielt einen höheren Stellenwert. In der Folge wurde u.a. der Ausbau der Kläranlagen forciert und dadurch eine deutliche Verbesserung der Wasserqualität in unseren Flüssen und Seen erzielt.“ Und heute? Liegt der Fokus vor allem auf mögliche Verschmutzungsverursacher: Die gewissenhafte Entsorgung von Arzneimitteln etwa ist ein Thema, für das Bürgerinnen und Bürger fortwährend sensibilisiert werden müssen. Der Gesamteindruck fällt beim Ruhrverband allerdings optimistisch aus: Als am 25. Mai 2017 ein Teil der Ruhr im Essener Seaside Beach Baldeney im Rahmen der Grünen Hauptstadt Europas gar wieder zum Baden freigegeben wurde, sprach manch einer von einem Wunder. Unbestritten ist, dass der Fluss Symbol für Strukturwandel und Naherholung zugleich ist. Hochmoderne Messverfahren garantieren zudem auch künftig eine gleichbleibende Wasserqualität. Robert Targan ❚ HISTORISCHE SAMMLUNG DER RUHRWASSERWIRTSCHAFT St. Annental 50, Essen; Öffnungszeiten: donnerstags von 16 bis 18 Uhr, für Gruppen nach Vereinbarung; Tel.: 0201 1781160; www.ruhrverband.de 03.2018| HEINZ |15

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