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02-2018 ESSEN HEINZ MAGAZIN

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HEINZ Magazin Februar 2018, Ausgabe für Essen

KINO | ÜBERSICHT LUKAS

KINO | ÜBERSICHT LUKAS VERING Ein peinlicher Überfluss Im Englischen gibt es den Ausruck „an embarrassment of riches“, also ein so reichhaltiger Überfluss, dass man sich fast dafür schämen will. Genau so lässt sich das Angebot im Kinomonat Februar beschreiben. Kein Wunder, läuft in Hollywood doch die Hochphase der Awardsaison und treibt all die prestigeträchtigen Filme auf die Leinwände. Schauspieler in Höchstform, grandiose Geschichten und virtuose Regisseure mit starken Stimmen so weit das Auge reicht. Klassische Awardanwärter wie Ridley Scotts „Alles Geld der Welt“ oder später im Monat auch Steven Spielbergs „Die Verlegerin“ haben die solidesten Chancen. Das auffälligste und ausgefallenste Futter bietet aber Guillermo del Toros Fantasydrama „The Shape of Water“. Unser Topfilm des Monats! Zudem locken ein eiskalter Thriller, eine bittersüße Hommage oder ein österreichisches Sittenspiel. Auch das Blockbusterkino hat im Februar eine Perle zu bieten: Mit „Black Panther“ bringt Marvel den ersten schwarzen Superhelden in eine Titelrolle. Ein Meilenstein! Unser Geheimtipp: Das schwule Drama „Beach Rats“ macht nicht nur Lust auf warme Sommernächte, sondern schafft auch bewegende Eindrücke in die Lebenswelt junger Männer, die es zwischen Männlichkeitskonzepten und den eigenen Gefühlen zerreißt. Genießen wir diese Vielfalt von Perspektiven und Stimmen, so lange sie noch existiert. Denn wenn Großkonzerne wie Disney weiter alles aufkaufen (wie jüngst mit dem Konkurrenzstudio 20th Century Fox geschehen), dann könnte bald alles nur noch nach Mickey Mouse klingen. Lukas Vering Film Frame © Marvel Studios 2018 2017 Twentieth Century Fox BITTERSÜSSE HOMMAGE The Disaster Artist In „The Disaster Artist“ erzählt James Franco vor und hinter der Kamera die Entstehungsgeschichte des dank seiner ikonischen Schlechtheit zum Kultfilm avancierten Streifen „The Room“. Dafür schlüpft er in die Rolle des Mannes hinter dem Film, Tommy Wiseau, und liefert eine Performance ab, die nichts weniger als beeindruckt. Franco ist zum Wegschreien, zum Losheulen, zum Umarmen und FEINSTES GESCHMEIDE Der seidene Faden Das letzte Mal, dass Paul Thomas Anderson und Daniel Day-Lewis zusammenarbeiteten, kam dabei der unheimlich spannende Streifen „There Will Be Blood“ raus. Statt in die ölsuppende Wüste lädt „Der seidene Faden“ ins piekfeine London der 50er, um die Geschichte des versessenen Modeschöpfers Reynolds Woodcock zu erzählen, der in der jungen Alma seine neuste Muse und erste ernste EISKALTES JUEWEL Wind River „Wind River“ entführt seine Zuschauer in das verschneite Indianerreservat Wind River, in dem Wildtierjäger Cory weit ab in der Wildnis die Leiche einer jungen Frau entdeckt. Fortan unterstützt er die eintreffende FBI-Agentin Jane bei der Suche nach dem Täter. Dank vortrefflichen Drehbuchs, stark gezeichneter Charaktere, eindringlicher Darsteller und einem Regisseur, der das richtige Gespür für REISSENDER TORNADO Three Billboards... Drei Plakatwände knapp außerhalb ihrer Heimatstadt Ebbing im US-Bundesstaat Missouri mietet Mildred Hayes, um darauf in großen Lettern den örtlichen Polizeichef zu fragen, warum der Mord an ihrer Tochter immer noch nicht aufgeklärt wurde. Der aufgewirbelte Staub verwandelt sich dabei rasant in einen reißenden Tornado aus Wut, Schuld, Schmerz und Verantwortung, der an allerlei Grundfesten zerrt. er erkennt das seltsame Genie in Tommy Wiseaus verrücktem Verstand. So ist „The Disaster Artist“ auch mehr als nur billiges Frotzeln über einen missglückten Film, es ist eine Liebeserklärung. Und eine berührende und bittersüße Geschichte über die Freundschaft zwischen Tommy und seinem Freund Greg und die Tragik hinter einer Person, die alles für ihren Traum geben will und zum Scheitern verurteilt ist. lv ❚ THE DISASTER ARTIST USA 2017, R: James Franco, D: James Franco, Dave Franco, Start: 1.2. Liebe findet. Bildschön ist dieser Film, eine Augenweide, perfektionistisch wie ein Haute-Couture-Kleid, bei dem jeder Nadelstich sitzt. Leider aber bleiben die Figuren stets auf Distanz, ihre Probleme fremd, ihre Welt zu glatt und abgehoben, alle Konflikte wabern bloß unterschwellig vor sich hin und lassen kalt. Wenn dann doch mal etwas hochkocht, funkt es auch – weitgehend bleibt der Film aber dampflos. lv ❚ DER SEIDENE FADEN USA 2017, R: Paul Thomas Anderson, D: Daniel Day-Lewis, Vicky Krieps, Start: 1.2. Wild Bunch Germany „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ ist ein faszinierender Film über die Ambivalenz von Gute und Böse, die in uns allen tobt. Mit bitterbösem Humor, fantastischen Schauspielern, prächtiger Regiearbeit und einer Botschaft, die so zeitlos wie brandaktuell ist, schickt sich der Streifen an, in der Awardsaison zum gnadenlosen Abräumer zu werden. lv ❚ THREE BILLBOARDS... USA 2017, R: Martin McDonagh, D: Frances McDormand,Woody Harrelson, Sam Rockwell, Lucas Hedges; Start: 25.1. MEILENSTEIN Black Panther Mit Black Panther, den Marvel-Fans schon aus dem Blockbuster „Captain America: Civil War“ kennen, macht der erste schwarze Superheroe sein Titelheldendebüt. Und nicht nur das: Große Teile des Casts und der Regisseur haben afroamerikanische Wurzeln und den Soundtrack hat Kendrick Lamar kredenzt. Ein Meilenstein für die Repräsentation einer marginalisierten Minderheit in der medialen Kultur. Im Film muss T’Challa alias Black Panther den Platz auf dem Thron seiner Heimat Wakanda behaupten, einem afrikanischen Staat, der sich als Dritte-Welt-Land ausgibt, obwohl er das versteckte Refugium einer technoloisch hochentwickelten Nation ist, in der sich Fortschritt, Stammeskultur und Mythologie miteinander verstricken. lv ❚ BLACK PANTHER USA 2017, R: Ryan Coogler, D: Chadwick Boseman, Michael B. Jordan, Lupita Nyong‘o, Forest Whitaker, Angela Bassett, Daniel Kaluuya; Start: 15.2. die Geschichte und ihren Spielort beweist, brilliert „Wind River“ als ein rares Juwel in der weiten, oft wüsten Landschaft des Thriller-Genres. Zusätzliche Tiefe verleihen die ungeschönten, beklemmenden Einblicke in die Realität amerikanischer Ureinwohner. „Wind River“ ist ein Film so gnadenlos, brutal und rau, wie die eisige Schneehölle des Wind River Reservats. lv ❚ WIND RIVER USA 2017, R: Taylor Sheridan, D: Jeremy Renner, Elizabeth Olsen; Start: 8.2. Justina Mintz, A24 and New Line Cinema, 2017 Warner Bros 2017 Focus Features, LLC. 50| HEINZ |02.2018

Claudio Iannone © TOBIS Film GmbH PRICKELNDER THRILLER Alles Geld der Welt Für seine letzten Werke erntete Sci- Fi-Altmeister Ridley Scott nur verhaltenes Feedback. Für „Alles Geld der Welt“ nimmt der Alien-Schöpfer sich nun einer realen Begebenheit an und verfilmt die Entführung des Milliardärenkels John Paul Getty III in den 70ern. Darin treibt er nicht nur den in Transformers-Ungnade gefallenen Mark Wahlberg zu Spitzenleistungen, sondern hat auch den durch Missbrauchsvorwürfe in Verruf geratenen Kevin Spacey in nur zwei Wochen durch Christopher Plummer ersetzt. Den Film schmälert der Eingriff nicht: Vor Spannung prickelnd und getragen von herausragenden Dialogen entfaltet sich die bewegende Geschichte einer Mutter, die ihren stinkreichen Schwiegervater davon überzeugen muss, das Lösegeld für ihren Sohn locker zu machen. lv ❚ ALLES GELD DER WELT USA 2017, R: Ridley Scott, D: Michelle Williams, Mark Wahlberg; Start: 15.2. OUT OF THE DARK Licht In „Licht“ bringt Regisseurin Barbara Albert die Lebensgeschichte der blinden Pianistin Maria Theresia Paradis inklusive barockem Prunk und Protz auf die Leinwand. Hinterm historischen Pomp steht aber ein beachtlicher Film, der nicht bloße Biografie, sondern auch Gesellschaftsbild und relevante Satire sein will. Dass die junge Musikerin im Hause des umstrittenen Arztes Franz Anton Mesmer wieder sehen lernt und dabei ihr Talent an den Tasten zu verlieren scheint, ist dabei nur Hintergrund für das Durchleuchten einer Welt der Borniertheit und Arroganz. Maria-Victoria Dragus spielt überzeugend die Verletzlichkeit und den Enthusiasmus eines strebsamen Mädchens auf der Suche nach Halt und Glück und einem Platz in einer Welt, deren Konventionen und Definitionen ihr fremd sind. lv ❚ LICHT DEU, AUT 2017, R: Barbara Albert, D: Maria-Victoria Dragus, David Striesow, Start: 1.2. Christian Schulz, NGF, LOOKS Edition Salzgeber & Company Medien DÜSTERES SOMMERMÄRCHEN Beach Rats „Beach Rats“ ist ein in düstere Farben getauchtes Sommermärchen über Sexualität, Identität, Scham und Männlichkeit. Die Handlung folgt dem jungen Frankie, der die heißen Sommernächte auf Coney Island damit verbringt, mit Kumpels über die Promenaden zu streifen, zu kiffen, mit Mädels zu flirten, sich die Tabletten des kranken Vaters reinzuziehen und heimlich im Internet mit älteren Männern zu chatten. Hittman gelingt ein ehrlicher Blick nicht nur in die Lebenswelt gelangweilter Teenies, sondern auch in den Kampf junger Homosexueller, die mit Erwartungen und Maskulinitätskonzepten ringen, deren Identität zwischen permanenter Fassade und raren Momenten der Freiheit kriselt. Nicht selten wirken ihre Bilder wie Dokumentationen, ohne dabei je ihre enigmatische Poesie einzubüßen. lv ❚ BEACH RATS USA 2017, R: Eliza Hittman D: Harris Dickinson, Madeline Weinstein; Start: 25.1. DIE URLAUBSWELT 21. – 25.02.2018 Reisen. Campen. Radfahren. Alle Infos unter: www.die-urlaubswelt.de

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