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01-2019 HEINZ MAGAZIN Duisburg, Oberhausen, Mülheim

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KULTURKOPF|INTERVIEW

KULTURKOPF|INTERVIEW Multi-Kulti-Mensch Integrations-Comedienne Liza Kosist Russin, lebt seit ihrer KindheitinDeutschland undspricht fließend Türkisch. Vorallem istdie Bühnenfrau aber eines:lustig! DieMischungaus gelebter Integrationsgeschichte und pointierten Wortwitzen brachtedie Aachenerin kürzlich sogar zusammen mitCarolin Kebekusund Fatih Cevikkollu in „Die Anstalt“. Nadine Beneke traf siezum Interview. D ein Programm heißt „Was glaub‘ ich, wer ich bin?“. Was glaubstdu, wer du bist? Ich glaube manchmal, ich bin als Außerirdische hier gelandet. Jede Identität engt ein. Wenn man sagt, ich bin die Russin, ist das auch abgesehen von den Klischees etwas, das viel mit sich bringt. Und ich tue mich schwer mit Grenzen. Ich bin ein Mensch, erst mal. Aber auch mit vielen menschlichen Sachen kann ich nicht soviel anfangen.Der Menschist aber immerhinvielseitig. Wenn du sagst, du tust dich schwer mitGrenzen:Was hältst du generell vonSchubladen? Ich verstehe ihre Existenz. Die Menschen brauchen Halt. Aber man sollte über den eigenen Tellerrand gucken und sich rauswagen. Deswegen habe ich auch einen Schlenker inden Islam und in die türkische Kultur gemacht. Ich habe überhaupt keine Berührungsängste. Und ich wünschte mir, dass die Menschen ihre Sicherheit wenigstens mal vorübergehend verlassen könnten und sich Dinge aus der Nähe, vielleicht sogar von innen anschauen. Dann würden sie alles ganz anders verstehen. Andere Schubladen ausprobieren, schauen, ob man reinpasst und die Menschen, die sich in der Schublade befinden,besser verstehen. Wie würdest du die Artvon Comedy beschreiben, die du machst? Ich bin immer ein sehr introvertierter Mensch gewesen. Inzwischen ist das eher fifty-fifty. Deshalb bin ich auf der Bühne auch nicht so voller Action. Ich bin ein verbaler Mensch, eher ruhig, mit kaltem und trockenen Humor, mal mit einem sehr lieblichen und süßen Lächeln, manchmal auch ein bisschen böse. Aber nicht übertrieben, weil ich eigentlich ein viel zu lieber Mensch bin. Deswegen fällt es mir auch schwer, beispielsweise einen Politiker verbal anzugreifen. Da fühle ich mich nicht wohl. Beobachtungen zuschildern und in verschiedene Rollen zu schlüpfen,ist mein Ding. Wie kamst du als introvertierter Mensch auf dieBühne? Zitternd. Aber ich habe die Einstellung: Was mir Angst macht, da gehich mal hin. Dasreizt michdannals Übung.Ich findeauchnicht, 44| HEINZ |01.2019

Liza Kos ©Michel Kitenge „Ich wünschte mir, dassdie MenschenihreSicherheit wenigstens mal vorübergehendverlassenkönnten und sich Dingeaus der Nähe,vielleicht sogarvon innenanschauen.“ dass das Introvertiert-Sein ein Gegensatz zur Bühne ist. Die Bühne gibt einem die Möglichkeit, laut zu sein, ohne sich anzustrengen. Ein introvertierter Mensch sitzt ineiner Menschenmenge und es fällt ihm schwer, gegen alle anzuschreien. Mit dem Mikro in der Hand hast dudie Macht. Du kommunizierst mit dem Publikum und es antwortetdir,wenndudas erlaubst. Gibt es etwas, dasdunicht wagen würdest? Dinge, die mit einem enormen Risiko verbunden sind. Wo man denkt, das wäre jetzt ein dummer Tod. Ich möchte einen schlauen Tod. Wie bist du eigentlich zurComedy gekommen?Duhastmit Musik angefangen,richtig? Ja. Mein Vater ist Musiker. Ich sage immer, erhat mich indie Musikschule gebracht, als ich sechs war und mit 14 Jahren wieder abgeholt. Das stimmt natürlich nicht ganz, aber ich habe die klassische russische Musikschulausbildung absolviert. 2011 habe ich damit angefangen, Lieder zu schreiben. Ich bin mit lustigen und ernsten Songs auf die Bühne gegangen und habe zwischendurch auch ein paar Sachen erzählt. Dahabe ich gemerkt: Ohmein Gott, das kann ich doch! Humor habe ich von meinem Vater gelernt. Erhat einen zynischen Humor, davon habe ich als Kind sehr viel eingesaugt. Dann hieß es oft: Warum bist dusofrech? Dabei habe ich eigentlich nur meineElterngespiegelt. Istder Begriff„Integrations-Comedy“ eigentlichvon dir? Ich glaube nicht. Den Begriff hat man mir irgendwann mal zugeschrieben. Wenn ich mich selbst beschreibe, sage ich multikultiple Persönlichkeit. Und Multikulti-Talent. Und integrierteste Russin Deutschlands, weil ich perfekt Türkisch spreche. Aber klar, es geht in meinem Programm die ganze Zeit umIntegration, weil esummein Leben geht. Wie hältst du es überhauptmit nationalen Identitäten? Du bist aus Russland nach Deutschlandgekommen,hasteinen Ausfluginden Islamunternommen und dein Vaterkommtursprünglichaus der Ukraine… Ich bin ein sehr offener Mensch. Kosmopolitisch, kann man sagen. Innendrin bin ich gegen alle Grenzen. Ich setze mich für die Gleichberechtigung der Frauen und der LGBT-Community ein sowie gegen Islamophobie. Und da merke ich sehr schnell, dass esrussischsprachige Menschen –auch in Deutschland –gibt, die das nicht so cool finden. Ich habe dazu mal ein Statement auf Facebook geschrieben und dann wurde mir gesagt, essei kein gutes Zitat inZeiten der Russland-Phobie. Aber ich sehe das anders. Die Menschen, die homophob sind, sind meiner Meinung nach instrumentalisiert worden vom Gesetz gegen homosexuelle Propaganda. In Russland ging es schon mal viel toleranter zu, in den Neunzigerjahren zum Beispiel. Ich finde das furchtbar schade. Esgibt natürlich auch viele, die genauwie ichdenken. Aber dasmacht es schwierig. Du warstneulich im Urlaub in der Türkeiund hast aufdeiner Facebookseite geschrieben„Ichliebe diesesLand“.Das istjawahrscheinlichgenauso einambivalentesVerhältnis? Die Türkei ist wunderschön. Ich liebe die türkische Kultur ohne Ende. Ich möchte mein Türkisch weiter perfektionieren und weiter lernen. Und ich finde die Menschen einfach toll. Ich bin sehr easy damit. Viele Deutsche sagen, in dieser Situation fahre ich nicht indie Türkei. Daskannich nichtsoganzverstehen,weilPolitik das eineist. Aber das Land ist für mich eine andere Kiste. Die Mentalität ist mir sehr nah geworden. Ich habe dort das Gefühl, als wäre ich zuhause. Was ich übrigens auch inDeutschland und in Russland habe. Ich habe ganzschön vieleZuhauses. Liegt das auch ander Sprache? Und: Wie viele Sprachen sprichst dueigentlich? Ich habe gesehen, dass du auch mal Tschetschenisch gelernt hast… Genau, ich habe viele Sprachen angefangen zu lernen. Auch Albanisch und Tschetschenisch. Russisch, Deutsch, Englisch und Türkisch kann ich. Das sind dann vier Sprachen. Und ich muss wohl bemerken, Türkisch ist amschwächsten und ich vergesse leider auch vieles, wenn ich nicht übe. Aber esliegt nicht so sehr an der Sprache. Es geht darum, dass ich aus meiner Schublade herausgekommen bin und in die türkische Kultur eingetaucht bin. Richtig mit Kopfund allem. MitKopftuch, kann man sagen. ❚ LIZA KOS–Wasglaub‘ ich,wer ichbin? TheaterTakelgarn,Philipp-Reis-Str.10Düsseldorf; Termin: 11.1., 20 Uhr; Tickets: 9,99-19,90 €//Cabaret Queue,Hermannstr. 74, Dortmund; Termin: 9.2., 19:30 Uhr; Tickets: ab 16 €// Stratmanns TheaterimEuropahaus,Kennedyplatz7,Essen; Termin: 15.2., 20 Uhr; Tickets: 20,80-25,20 € Liza Kos ©Michel Kitenge 01.2019| HEINZ |45

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